| Brennpunkt
Der Außendienst der Hersteller – ob als freier Handelsvertreter oder als Angestellter – muss täglich den Spagat zwischen den Interessen der Marke und denen des Juweliers machen. Der Druck wächst. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist der glaubwürdige Auftritt nicht einfach.
„Nur vier Sekunden hat man, um das Gegenüber von seinen Qualitäten zu überzeugen“, sagt Jordan Belfort, dessen schillerndes Leben als halbseidener Börsenhändler in „The Wolf of Wall Street“ mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle verfilmt wurde. „Man muss so scharf sein wie eine Reißzwecke, so enthusiastisch wie die Hölle und ein Fachmann auf seinem Gebiet,“ lautet der Tenor der Verkaufskanone, die in einer Szene im Film von ihrem Gegenüber als Einstellungstest fordert: „Verkaufen Sie mir diesen Stift!“ Der vorbestrafte Vertriebsspezialist füllt zwar heute mit seinen Verkaufsschulungen große Säle und plädiert geläutert mittlerweile für ethisch einwandfreie Deals, doch seine Konzepte, die mit der Tür ins Haus fallen, sind wohl nicht mehr zeitgemäß. Denn Kunden sind dank des Internets besser informiert denn je. Darum: Die Verschiebung zur Wissensgesellschaft fordert neue Vorgehensweisen.
Zumal: In der Uhren- und Schmuckbranche sind die Zeiten hart, alte Gewissheiten zählen nicht mehr. Produkte, die gerade noch heiß begehrt waren, müssen wenig später mit großen Preisnachlässen verramscht werden. Ihnen folgen andere Bestseller. Hinzu kommt die Konkurrenz aus dem Internet, die nicht nur dem Juwelier, sondern auch dem Vertreter der Marke das Leben schwermacht. Und: Mit der Zahl der Geschäfte und Hersteller sinkt auch die der selbstständigen Verkäufer. Aber: Menschen wollen Menschen – authentisch und ehrlich, sympathisch, überzeugt von dem, was sie verkaufen wollen, zuverlässig und jederzeit ansprechbar. Der gute Verkäufer agiert auf Augenhöhe, ist weder Bittsteller noch Einpeitscher der Marke. Er hat eher den Kundennutzen als seine Provision im Blick.
Gewachsene Ansprüche
Früher konnte ein guter Handelsvertreter problemlos mehr verdienen als der Geschäftsführer oder Vertriebsleiter der von ihm vertretenen Firma. Das erzeugt nicht nur Neid, sondern sorgt vor allem in mageren Zeiten dafür, dass immer mehr Hersteller aus Kostengründen auf angestellte Vertriebler mit Fixum setzen.
„Heute gibt es das Modell des freien Handelsvertreters in unserer Branche immer seltener“, berichtet Gerd Mones, der Zebra Design vertritt. „Es kommen oft ferngesteuerte junge Vertreter zum Juwelier und verkünden die Botschaften der Marke – ohne sie zu reflektieren.“ Der Handelsvertreter der alten Schule, der mit seinem Musterkoffer Tausende von Kilometern abspult, um die Neuheiten dem Fachhandel zu präsentieren und direkt zu verkaufen, gehöre der Vergangenheit an. Heute verkauft man durchdachte Markenkonzepte statt Ware. Doch die Fachhändler sehen das nicht unbedingt als Nachteil. „Wir arbeiten mit den Außendienstlern Hand in Hand, begrüßen deren Unterstützung bei der Sortimentspflege und -präsentation“, sagt Kai Behrendt vom gleichnamigen Juwelier aus Flensburg. „Trotz automatischer Nachversorgung sind die Besuche wichtig, denn die alten Topseller laufen aus, neue Modelle kommen nach. Es gilt, Lagerüberhänge zu vermeiden. Die Vorgaben für die professionelle Präsentation der Marken ist in den meisten Fällen durchaus sinnvoll. Denn nur, wenn der Marke ein gewisser Platz und eine gewisse Breite eingeräumt wird, verkauft sich die Ware auch gut.“
Dirk Kolkmeyer vom Haus der Weltzeituhren in Osnabrück sagt: „Der Außendienst ist sehr wichtig für die permanente Markenkommunikation und die Sortimentspflege. B-to-B-Shops sind nett, aber es geht ja um die Kontrolle der Topseller und Mindestbestände. Die Außendienstler durchforsten unsere Datenbank sehr gewissenhaft, sie wissen, was regional und überregional gut läuft, und können uns mit ihrer Erfahrung beraten. Es geht ja auch darum Produkte aufzunehmen, die anderswo Topseller sind, die wir aber noch nicht führen. Würden wir uns allein auf die automatische Nachbestellung verlassen, würden uns diese Umsätze entgehen.“
Da viele Hersteller den Messen fernbleiben, ist der Außendienst der einzige verbliebene Kontakt zum Handel. Eine Win-Win-Situation für beide Seiten: Juweliere erfahren, was die Marke umtreibt, der Hersteller bekommt das direkte Feedback des Marktes.
Doch sind die Juweliere nicht vorsichtig geworden, wenn es darum geht, neue Marken oder Produkte ins Sortiment zu nehmen? Axel Fritsch, der viele Jahre als Geschäftsführer von Bastian Inverun in eigener Sache vor allem im norddeutschen Raum seine Juweliere bereiste, beobachtet eher das Gegenteil: „Juweliere sind wieder offen für neue Kollektionen. Mit dem Ende der Charm-Ära ist wieder Platz für andere Produkte.“
Spielräume für neue Produkte
Der Außendienst hat den Vorteil, dass er den Überblick hat, er weiß, was bei wem läuft. Daher ist oft auch sein Rat gefragt. „Ich rutsche häufig in die Rolle eines Consultants, habe auch schon mal eine andere Marke empfohlen, die mir für den Kunden als eine gute Sortimentsergänzung erschien“, bestätigt Axel Fritsch. Und sein Kollege Thomas Suchefort von Festina sagt: „Ich berate auf Wunsch meine Kunden hinsichtlich neuer Marken und Marketingmaßnahmen und vermittele auch schon bei der Mitarbeitersuche. Auch kommt es vor, dass ich bei der Nachfolgersuche behilflich bin“ (s. Interview Seite 24). Zumal der Außendienstler oft viel Zeit beim Juwelier verbringt und genau beobachtet, wie das Geschäft läuft.
Das Fazit der meisten Vertriebler lautet: Dreh- und Angelpunkt für ein erfolgreiches Geschäft ist das Personal. Ist es von der Ware überzeugt, dekoriert es sie mit Liebe, präsentiert sie dem Kunden mit Begeisterung und verkauft auch gut. Axel Fritsch hat daher schon mal Pralinen persönlich an die Verkäuferinnen übergeben. Eine Geste, die gut ankam und zusätzlich motivierte. Eine weitere Beobachtung ist, dass diejenigen besonders erfolgreich agieren, wo der Inhaber selbst bedient, Verkaufen also zur Chefsache macht.
Für gute Außendienstler wie für den Juwelier gleichermaßen gilt der Spruch von Jordan Belfort aus dem Film: „Und wenn ich dann damit Profit für die Kunden mache, haben ja beide Seiten was davon, richtig?“ Die Antwort lautet, anders als im Film: „Ja!“.