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„Die Schmerzen sind noch nicht groß genug“

Brennpunkt Fachkräftemangel

Robert Zangeneh sucht als Headhunter Fachkräfte für Unternehmen. 
Ein Interview darüber, wo er sie findet, was sie von Arbeitgebern erwarten
und wie die Generation Z und das Handwerk zusammenpassen

Weil Unternehmen zunehmend in Schwierigkeit kommen, Fachkräfte zu finden, setzen sie zunehmend auf Headhunter, die meist sehr teuer sind. Die Talentlotsen gingen dagegen 2017 mit einem neuen Angebot an den Start: „Recruiting-as-a-service.“ Gegen eine monatliche Gebühr bringen sie wechselwillige Arbeitnehmer und Unternehmen zusammen. Wo sie die Fachkräfte finden, 
was diese von Arbeitgebern heutzutage erwarten, erzählt Robert Zangeneh, Team Lead Recruiting bei den Talentlotsen, im Interview. Und auch, wie 
das Handwerk die Generation Z begeistern kann.

Ein Arbeitsmarktforscher sagte kürzlich: „Einen Fachkräftemangel gibt es nicht, die Fachkräfte arbeiten jetzt halt nur woanders.“ Deckt sich das auch mit Ihren Erfahrungen? Gibt es keinen Fachkräftemangel – und suchen viele Arbeitgeber nur falsch?
Robert Zangeneh: Einen Fachkräftemangel sehe ich durchaus, auch aufgrund mangelnder Ausbildungsquoten, die den Bedarf nicht decken. Denken Sie an die IT-Branche: Da wechseln Arbeitnehmer sehr oft von Arbeitgeber zu Arbeitgeber, zu jeweils besseren Konditionen, und alle drehen fleißig an diesem Karussell. Mittlerweile wechseln viele Leute auch komplett die Branche, weil es Unternehmen nicht schaffen, ihre Mitarbeiter an sich zu binden. Schnell ist der Arbeitsplatz oder der Arbeitgeber nicht mehr attraktiv genug. Dazu kommt, dass die Baby-Boomer in Rente gehen – so viel Nachwuchs ist objektiv gar nicht vorhanden, um sie zu ersetzen.

Wo finden Sie die Fachkräfte, die Ihre Auftraggeber suchen?
Ich kann Ihnen sagen, welcher Weg heute nicht mehr geht: 
Ich schreibe eine klassische Stellenanzeige und warte darauf, dass sich jemand darauf bewirbt.

Warum?
Die aktiven Bewerber, die aktiv nach einer Stelle suchen, werden immer weniger. Man muss jetzt den passiven Bewerbermarkt aktiv ansprechen, also die Leute, die einen Job haben, aber Angeboten gegenüber aufgeschlossen sind. Genau das tun wir. Wenn wir mit einer Kandidatensuche beauftragt werden, nutzen wir unter anderem die üblichen Portale wie Xing und LinkedIn und Step­stone als Lebenslaufplattform und versuchen dort potenzielle Kandidaten zu finden.

Was möchten Bewerber von Ihnen denn über das Unternehmen wissen, für das Sie suchen?
Das Gehalt ist ein Punkt, aber nicht der wichtigste, obwohl es natürlich zum Leben reichen muss. Viele fragen nach der Unternehmenskultur: Geht es kooperativ zu, gibt es offene Türen, unterstützt man sich gegenseitig, gibt es zum Beispiel auch eine Fehlerkultur? Wichtig sind auch die Weiterentwicklungsmöglichkeiten: Die Generation Z will sich selbst verwirklichen, sich in jeder Richtung weiterentwickeln.


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Ich dachte, die wollten keine Karriere mehr machen.
Das stimmt. Sie arbeiten, um zu leben, und leben nicht, um zu arbeiten. Der entscheidende Punkt ist, dass die Arbeit für sie Sinn machen muss: für sich persönlich, für die Umwelt, für die Gesellschaft.

Das bekannte Thema der Work-Life-Balance.
Genau. Der Job muss zum Leben passen. Viele wollen auch gar nicht mehr Vollzeit arbeiten, 30 Stunden pro Woche wären für sie viel attraktiver. Das ließe sich auch über passende Arbeitszeit­modelle abbilden, aber viele Arbeitgeber sind dazu noch nicht bereit. Der Schmerz ist offensichtlich noch nicht groß genug. Das sieht man in vielen Bereichen. Die Arbeitgeber be-
wegen sich noch zu wenig oder hör

Was denn zum Beispiel?
Viele fragen nach Remote-Optionen. In der Pandemie haben wir festgestellt, dass das funktioniert. Wir hören aber auch immer öfter, dass Arbeitnehmer weiter den Kontakt zu Kollegen und zum Unternehmen brauchen. Sie wollen nur gern Flexibilität und weitgehend freie Wahl, wann sie ins Büro kommen und wann nicht.

Wehren sich Arbeitgeber dagegen?
Ich würde es mal eine gewisse „Arroganz“ nennen. Sie sagen: Der bewirbt sich ja bei uns, also machen wir die Regeln. Über diesen Punkt sind wir aber schon lange hinaus.

Von vielen Arbeitgebern hört man, dass das mit der Generation Z und dem Arbeiten nicht so einfach sei. Worauf müssen sie sich einstellen?
Wir sollten uns darauf konzen­trieren, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, die für alle Generationen geeignet ist und in der jeder seine Fähigkeiten und Perspektiven einbringen kann, unabhängig von Alter oder Erfahrung. Vom Modell „So haben wir das immer gemacht“ muss man sich lösen. Ich bin überzeugt, dass die Unternehmen und auch die „alten Hasen“ abseits des Fachlichen viel von der Generation Z lernen können: Sie sprühen vor Ideen und hinterfragen Gewohnheiten. Ihnen einfach mal zuzuhören kann ein großer Gewinn für beide Seiten sein.

Generation Z und Handwerk: Wie geht das zusammen?
Ich beobachte, dass viele Handwerksberufe momentan wieder zurückkommen, weil junge Leute sie als „cool“ empfinden. Man kann in ihnen was bewegen, sich selbst verwirklichen, seiner Kreativität freien Lauf lassen – sei es als Zimmermann, als Goldschmied oder als Uhrmacher. Also genau, was diese Generation sucht! Wenn Unternehmen und Branchen es schaffen, diese Werte rauszustellen, dann sehe ich da großes Potenzial. Man muss die Generation Z aber auch dort abholen, wo sie sich gerade befindet, und das sind die sozialen Medien, mit denen sie aufgewachsen ist.

Es ist abzusehen, dass bis 2030, 2035 die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland stark schrumpft. Wie können sich Unternehmen dagegen wappnen?
Jedes Unternehmen muss es schaffen, sich auf dem Arbeitsmarkt attraktiv zu platzieren. Jeder Arbeitnehmer kann bald zwischen mehreren Angeboten wählen, da muss man hervorstechen. Die eigenen, zufriedenen Mitarbeiter sind dabei die besten Werbeträger. Das Thema Ausbildung ist ganz, ganz wichtig – die Mitarbeiter wachsen ja nicht auf den Bäumen. Fort- und Weiterbildung gehört dazu. Und vielleicht sollten Unternehmen schauen, dass sie von ihren hohen Erwartungen an Bewerber etwas zurückschrauben. Den idealen Kandidaten gibt es in den wenigsten Fällen. Mitarbeiter können sich aber dahin entwickeln, wenn Unternehmen sie gezielt fördern und weiterbilden.

Trotzdem ist absehbar, dass es zu wenige Erwerbs-tätige gibt. Wo sollen die herkommen?
Wir hatten schon einmal eine Phase des akuten Arbeitskräftemangels und fast dieselbe Situation wie heute. Damals haben wir Fachkräfte aus dem Ausland geholt. Das ist eine Möglichkeit.

Das übliche Fachkräfte-Reservoir in Osteuropa fällt zunehmend aus. Wo sollen die Fachkräfte sonst noch herkommen?
Man muss globaler denken, sich dafür aber auch öffnen. Der Kandidat spricht dann vielleicht nicht perfekt Deutsch, bringt aber Fachwissen mit. Also lohnt sich die Investition in einen Sprachkurs, um ihn oder sie auf das geforderte Niveau zu bringen. Der Mitarbeiter ist dann garantiert loyal und dankbar fürs Leben.

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