| Brennpunkt: Influencer
Immer mehr Schmucklabels, die durch Social-Media-Protagonisten gewachsen sind, expandieren in den Einzelhandel. Auch Influencer mit eigener Schmuckmarke machen verstärkt stationär Geschäfte. Warum?
Das Gedränge ist groß. Mehr als 50 Influencerinnen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich sind der Einladung gefolgt, scharen sich um die Schmuckstücke, probieren Ringe, Armbänder und Kettchen aus, machen Selfies und drehen Reels, die sie später auf ihrem Account der Community präsentieren. Die Eröffnung des ersten stationären Stores der Schmuckmarke Purelei in München war gut durchdacht. Einmal mehr zeigte das junge Unternehmen an diesem Tag Mitte April, wie man mit Social-Media-Protagonisten marketingtechnisch Hand in Hand geht und damit äußerst erfolgreich ist. Bereits seinen rasanten Aufstieg verdankt das im Jahr 2016 gegründete Label vor allem Kooperationen mit Influencerinnen wie Millane Friesen oder auch Vanezia Blum (siehe auch dieser Bericht).
„Wir hatten vor ein paar Jahren schon einen Popup-Store in Berlin und vor anderthalb Jahren einen in unserer Heimatstadt Mannheim. Der Store in München ist nun die erste dauerhaft feste Adresse“, erzählt Purelei-Gründerin Alisa Jahnke und erläutert die Gründe für die Expansion in den stationären Einzelhandel: „Der Store gibt uns die Möglichkeit, die Marke Purelei erlebbar und spürbar für unsere Kundinnen zu machen. Er ermöglicht uns den direkten Kontakt zu unserer Community sowie direktes Feedback zu unseren Produkten. Die Kundinnen können die Produkte anfassen, ausprobieren und auch hinsichtlich unterschiedlicher Größen und Styles beraten werden. Im Vergleich zum reinen E-Commerce-Store bieten diese Punkte einige Vorteile.“
„Wir hatten vor ein paar Jahren schon einen Pop-up-Store in Berlin und vor anderthalb Jahren einen in unserer Heimatstadt Mannheim. Der Store in München ist nun die erste dauerhaft feste Adresse.“
Alisa Jahnke, Gründerin von PureleiFanden Kundinnen die Produkte von Purelei bislang ausschließlich im Netz über den eigenen Onlinestore und über Plattformen wie Zalando, Amazon, Otto und About You, können sie nun auf fast 150 Quadratmetern das markentypische „Aloha-Lebensgefühl“ live genießen. Zur Planung des Stores hat Jahnke die Agentur Act.3 hinzugezogen, zu deren Kunden beispielsweise auch der Sportartikelriese Adidas gehört. Gestaltet ist das Geschäft in hellen Tönen und mit Naturelementen, inspiriert von Hawaii. Der Schmuck ist auf sechs Holzinseln ausgestellt, die an die Inseln von Hawaii erinnern sollen. Außerdem finden Kundinnen im Store die Purelei-Beautyprodukte, verschiedene Lifestyleprodukte wie Hoodies oder T-Shirts sind ebenfalls erhältlich. Beratend zur Seite stehen aktuell vier Mitarbeitende. Alisa Jahnke: „Wir haben auch eine Lounge, die von der Community genutzt werden kann, um es sich gemütlich zu machen und sich auszutauschen. Es gibt zudem einen separaten Bereich, in dem Events sowie exklusive Einzelberatungen stattfinden werden.“
Der Purelei-Shop ist als Neuzugang in der zentral gelegenen und glasüberdachten Passage „Kaufingertor“ in bester Gesellschaft. So bietet die Passage eine klassische Mischung aus Einzelhandelsgeschäften und gastronomischen Betrieben. Nachbarn von Purelei sind beispielsweise die italienische Luxuswäsche-Marke Bassetti und die für ihre coolen Sonnenbrillen bekannte Brillenmarke Ray-Ban.
Store als Teil einer Multichannel-Strategie
Die Shop-Eröffnung von Purelei ist kein Einzelfall, sondern vielmehr ein Trend. Immer mehr Marken, die anfangs ausschließlich online präsent waren und insbesondere durch Social-Media-Protagonisten ihren Bekanntheitsgrad steigern konnten, eröffnen stationär Geschäfte – wie auch Influencerinnen und Influencer selbst, die eine eigene Schmuckmarke haben. So eröffnete beispielsweise Anfang Mai Influencerin Sandra Ebert ebenfalls in München einen Store ihrer im Jahr 2014 „mit einem geringen dreistelligen Startkapital“ gegründeten Schmuckmarke Black Palms. Sie macht mittlerweile nach eigenen Angaben jährliche Umsätze im siebenstelligen Bereich.
„Die Idee für den Store und das Konzept bestehen schon seit vier Jahren“, erklärt Sandra Ebert und ergänzt: „Die Suche nach einer passenden und leistbaren Immobilie in München stellte sich jedoch als eine echte Herausforderung dar und war ein längerer Prozess.“ Fündig geworden ist die 38-Jährige schließlich in der Münchner Altstadt, in der Maxburgstraße. Hier, auf gut 130 Quadratmetern Verkaufsfläche im Erdgeschoss und zusätzlich 200 Quadratmetern im Untergeschoss für Events, Fotostudio und Lager, möchte Sandra Ebert die Welten von Social Media und stationärem Handel miteinander verknüpfen. Eine 40 Meter lange Schaufensterfassade macht den Store dabei zu einem „Glass Cube“, der einen Blick freigibt auf das Innere. Der Laden zeigt ein puristisches, cleanes Einrichtungskonzept, sodass sich das Investment auch in Grenzen gehalten habe. Laut Ebert liegt es im fünfstelligen Bereich.
„Die Suche nach einer passenden und leistbaren Immobilie in München stellte sich als eine echte Herausforderung dar und war ein längerer Prozess.
Sandra Ebert, Influencerin und Gründerin von Black PalmsKundinnen und Kunden können im Store Kaffee und erfrischende Getränke genießen, an der „Candy Bar“ verweilen und sich dabei umschauen. Ins Auge fällt gleich – neben der Mode – die Schmuckkollektion, die rund 40 Kreationen umfasst. „Die Designs sind zeitlos mit selbstbewussten und starken Details. Cool, aber auch feminin und soft“, erklärt Sandra Ebert. Hergestellt werden die Hals-, Arm- und Fußketten sowie Ohrringe, Ringe und Anhänger aus Sterlingsilber oder Messing und dies in kleinen Familienbetrieben in Deutschland. Ebert: „Auch verwenden wir ausschließlich eine hochwertige Echtgoldlegierung, um einen satten Goldton zu erlangen.“
Mehrere Verkaufsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter hat Sandra Ebert für den Store eingestellt, ebenso eine Store-Managerin, die auch Erfahrung aus der Eventbranche und der Gastronomie mitbringt. Sie soll gemeinsam mit dem Black- Palms-Marketingteam Veranstaltungen konzipieren und umsetzen. „Wir wollen Retail neu denken. Der stationäre Handel ermöglicht es uns, eine persönliche Beziehung zu unseren Kunden aufzubauen und ein Einkaufserlebnis zu schaffen, das über das bloße Onlineshopping hinausgeht. Durch Events und individuelle Beratung möchten wir unsere Kunden inspirieren und unsere Community zusammenbringen“, sagt Sandra Ebert, die zuvor im Logistikbereich tätig war und erst 2018 den endgültigen Schritt in die Selbstständigkeit als Influencerin und Modebloggerin wagte. Seit 2020 agiert ihr Label als GmbH und ist der Hauptjob von Sandra Ebert und ihrem Ehemann.
Kooperationen mit Uhrenherstellern
Die Welten von Social Media und stationärem Handel verbinden und der Online-Community eine physische Anlaufstelle bieten, dies verwirklicht auch Marc Gebauer. Mit mehr als 460.000 Abonnenten ist der 35-Jährige nicht nur Deutschlands bekanntester Uhren-Youtuber – er ist auch der erfolgreichste. Seine 2020 gegründete Marc Gebauer Lifestyle GmbH erzielte nur zwei Jahre später, 2022, bereits einen Umsatz von 40 Millionen Euro. Es ist ein Erfolg, der nicht von ungefähr kommt. Nach seinem Studium (Bachelor in Kommunikation und Journalismus) arbeitete Gebauer zunächst bei einem Herrenausstatter, wo er sich auch um den Onlinebereich kümmerte. Als es am Ende des Jahres eine Provision von 10.000 Euro gab, investierte er diese in seine Leidenschaft – Uhren – und kaufte sich eine Jaeger-LeCoultre.
„Ich habe mit 18 von meinem Vater eine Rolex geschenkt bekommen, das war der Beginn meiner Passion und Faszination für Luxusuhren“, erzählt Gebauer. So verwundert es kaum, dass er vom Herrenausstatter schon bald zum Uhrenhändler Cologne Watch wechselte und dort die Düsseldorfer Filiale übernahm. Er eignete sich das Know-how zum An- und Verkauf von Luxusuhren an und baute parallel dazu den Social- Media-Auftritt auf. Er startete einen Youtube-Kanal für das Unternehmen und zeigte in den Clips aktuelle Uhren – von Rolex bis Breitling. „Ich wollte mir selbst die Eigenschaften der Modelle erklären und das gleichzeitig den Leuten da draußen zeigen“, so Marc Gebauer. Er ergänzt: „Die ersten Videos waren noch sehr trocken und sachlich. Der Erfolg kam dann, als ich in einem Video des Youtubers Emrah aufgetaucht bin.“ Die Zielgruppe, junge Leute im Alter von 15 bis 45 Jahren, mag die lockere und unkomplizierte Art Gebauers, die er mit fundiertem Fachwissen kombiniert. Viele seiner bisher veröffentlichten Videos wurden bereits über 100 Millionen Mal gesehen. Für seinen Onlineshop, wo er Luxusuhren verkauft, beschäftigt Gebauer mittlerweile mehr als 20 Mitarbeitende, auf Social Media hat er insgesamt über 1,5 Millionen Follower.
„Ich habe mit 18 von meinem Vater eine Rolex geschenkt bekommen, das war der Beginn meiner Passion und Faszination für Luxusuhren.“
Marc Gebauer, Deutschlands bekanntester Uhren-Youtuber„Wir haben seit der GmbH-Gründung ein stetig starkes Wachstum und sind in vielen Partnerschaften präsent – sei es auf der Basis von Werbung oder in Form von Kooperationen wie mit den Uhrenherstellern Franck Muller oder Hoffman Watches“, erzählt Gebauer. Um einen noch direkteren Austausch mit der Community zu haben, eröffnete er im August vergangenen Jahres einen eigenen, rund 200 Quadratmeter großen Concept-Store in der Düsseldorfer Innenstadt. Neben Luxusuhren – von Rolex über Audemars Piguet bis Richard Mille – verkauft er hier Parfums, Taschen und Accessoires wie Baseballkappen, Schmuck und Feuerzeuge teurer Marken. Kaffee und Uhrenzubehör gehören ebenfalls zum Sortiment. Die energiegeladene Onlinepräsenz von Marc Gebauer ist unabdinglich für das stationäre Business. Denn „ein Produkt zu verkaufen ist ja total ersetzbar ... Wir verkaufen Emotionen“, stellt Marc Gebauer klar. Ein Erfolgsrezept, das er auch in den USA umsetzen will. Im Frühjahr verlegte Gebauer seinen Wohnsitz ins sonnige Los Angeles und meldete einen zweiten Firmensitz an. Der Fokus soll auch hier zunächst auf dem Onlinegeschäft liegen.
Fashion- und Lifestyle-Bloggerin Franziska „Franzi“ König, die seit 2015 ihre Community regelmäßig mit Content versorgt, gründete vor fünf Jahren ihr eigenes Schmucklabel Fafe Collection und eröffnete nur wenige Monate später ihren eigenen Store. Zentral gelegen in der Kölner Innenstadt, in der Neustadt-Süd, finden Kundinnen und Kunden hier eine große Auswahl an „Premiumschmuck zu fairen Preisen“, wie es auf der Homepage heißt. Die Stücke bestehen fast alle aus Sterlingsilber, zum Teil mit 18-karätigem Gold veredelt. Auch individuelle Gravuren sind möglich. Gut durchdacht: Auf ihrem stark frequentierten Instagram-Account fungiert Franziska König selbst als Model und zeigt regelmäßig Looks, wie sich die Schmuckstücke zu trendiger Mode kombinieren lassen.
Unterstützung aus Pforzheim
Auffallend an den „Neuen“ im stationären Einzelhandel sind die stylishen Ladenkonzepte. Keine Ausnahme macht da die Präsenz des Frankfurter Start-ups Veynou. Das Schmucklabel wurde 2021 gegründet und für die Steigerung seines Bekanntheitsgrads sorgte das Gründer-Trio selbst. Denn neben Cem Dogan gehören dazu Influencer Philip Deml und seine Partnerin Paulina Kurka.
Er versorgte damals bereits rund 240.000 Instagram-Follower täglich mit Bildern und Videos von Reisen, Restaurantbesuchen und Autofahrten, Paulina Kurka folgten zu diesem Zeitpunkt sogar knapp eine halbe Million Menschen. So weiß binnen kurzer Zeit eine große Community von dem neuen Schmucklabel, das auf recyceltes Gold und Labordiamanten setzt. „Die größte Schwierigkeit bestand für uns als Quereinsteiger darin, die hohen Einstiegsbarrieren im Diamantschmuck zu überwinden und die richtigen Partner zur Beschaffung der Labordiamanten und anschließenden Schmuckfertigung zu finden. Hier sind wir überglücklich, ein weltweit etabliertes Familienunternehmen als Gesellschafter für uns gewonnen zu haben, das uns perfekt ergänzt“, berichtete das Trio auf dem Portal startupvalley.news. Besagtes Familienunternehmen ist übrigens kein geringeres als Rauschmayer in Pforzheim. Und: Gab es den Schmuck anfangs nur online, eröffnete Veynou im April 2023 in der Frankfurter Altstadt Deutschlands erste Lab-Grown-Diamanten-Boutique.
Hier kann das Angebot an Armbändern, Ohrringen, Ketten und Ringen in stylishem Ambiente haptisch erlebt werden und Paare werden auch mittels Trauring-Konfigurator über die verschiedenen Designmöglichkeiten informiert. Zusätzlich zu der Dependance in Frankfurt gibt es seit Ende vergangenen Jahres einen Pop-up-Store bei Breuninger in Stuttgart, und das nicht irgendwo, sondern im ersten Obergeschoss, der Luxusetage.
„Die größte Schwierigkeit bestand für uns als Quereinsteiger darin, die hohen Einstiegsbarrieren im Diamantschmuck zu überwinden und die richtigen Partner zu finden.“
Cem Dogan (l.), Paulina Kurka und Philip Deml (r.), Influencer und Gründer von VeynouDank Influencer-Marketing online durchgestartet und nun gleichfalls stationär auf dem Vormarsch ist ebenso das junge Schmucklabel Luamaya. Es ist die erfolgreichste Marke des Unternehmens Schmuckkollektiv aus Mainz. Gestartet 2016 als Onlineshop mit den Marken Murandum und später Illisio, Luamaya und Wildflowers, eröffnete Schmuckkollektiv 2019 sein erstes Einzelhandelsgeschäft in Mainz. Es folgten weitere Shops in Münster, Darmstadt, Bonn, Freiburg, Heidelberg, Koblenz und Köln, die nun alle einheitlich unter dem Filialnamen Luamaya laufen.
Vorgemacht und gezeigt, wie das Business funktioniert, hat vor allem Kapten & Son. Drei Studenten aus Münster gründeten im Jahr 2014 das Label zunächst als Uhrenmarke. Schnell verhalfen unzählige Influencer auf Instagram und Facebook dem Unternehmen zu weltweiter Bekanntheit. Unter dem Hashtag #bekapten teilten sie ihre besonderen Erlebnisse mit ihren Followern – die Uhr immer am Handgelenk. Das Portfolio wurde sukzessive um Brillen, Jacken, Taschen, Rucksäcke, Koffer und Schmuck ergänzt, 2018 eröffnete dann in Köln der erste Retail-Store, es folgten weitere in Berlin, Hamburg, München, Münster, Stuttgart und sogar in Wien und Amsterdam. Mittlerweile hat Kapten & Son selbst fast eine Million Follower auf Instagram, 61.700 auf Tiktok und 35.300 auf Pinterest. Kein Wunder daher, dass weitere Stores geplant sind, wie es seitens des Unternehmens heißt.
Text: Nicole Maibaum
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