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Kommt bald der digitale Euro?

Zusammen mit den nationalen Zentralbanken des Euroraums prüft die EZB zurzeit die Einführung eines digitalen Euros. Dabei würde es sich um digitales Zentralbankgeld als Ergänzung zum Bargeld handeln. Was verbirgt sich hinter dem neuen Zahlverfahren und wie könnte der Einzelhandel davon profitieren? Diesen Fragen geht Winfried Lambertz vom EHI Retail Institute nach.

Im europäischen Bankensystem laufen die Arbeiten am digitalen Euro auf Hochtouren. Seit Oktober 2021 sind Expert: innen der EZB und der nationalen Zentralbanken im Rahmen einer Untersuchungsphase mit der möglichen Ausgestaltung des Verfahrens beschäftigt. Im Herbst dieses Jahres soll die Untersuchung abgeschlossen sein. Dann entscheidet der EZB-Rat, ob mit der Implementierung einer solchen Lösung begonnen werden soll. Die Fakten, soweit bislang bekannt: Der digitale Euro soll das Bargeld nicht ersetzen, sondern um eine digitale Variante erweitern – offline und online. Die Gebühren für den Handel sollen das aktuelle Niveau vergleichbarer Zahlungsmittel nicht überschreiten. Privatpersonen sollen den digitalen Euro über ihre Bankingapps und eine neue App des Eurosystems nutzen können. Im Oktober 2023 will der EZB-Rat entscheiden, ob mit der Implementierung des digitalen Euro begonnen werden soll.

Mit dem digitalen Euro stünde den Menschen ein weiteres Zahlungsmittel zur Verfügung, das im ganzen Euroraum genutzt werden könnte. Fabio Panetta, Mitglied des Executive Board der EZB, ist sich der Akzeptanz auf der Nachfrageseite sicher: „In einer modernen Wirtschaft ist es ein Grundbedürfnis der Menschen, digital bezahlen zu können. Alle Menschen sollen den digitalen Euro bei ihren alltäglichen Zahlungen nutzen können: online, in Geschäften oder zwischen Privatpersonen.“

Tatsächlich tätigen die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher einen Großteil ihrer Geschäfte heute schon elektronisch. Beispielsweise über Onlinebanking, mit dem Smartphone oder der Girokarte. Auch im Einzelhandel nimmt die Bedeutung des Bargelds ab. Die jüngste EHI-Payment-Studie zeigt, dass 2022 nur noch 59,4 Prozent (Vorjahr 60,9 Prozent) aller Zahlungen an den Ladenkassen mit Scheinen und Münzen abgewickelt werden. In den Niederlanden und in Finnland wird laut EZB nur noch jeder fünfte Einkauf in bar getätigt.

Bargeld auf dem Rückzug
Die heute bestehenden, gut funktionierenden privatwirtschaftlichen Angebote zum bargeldlosen Bezahlen machen das Hantieren mit Papiergeld und Münzen in vielen Fällen überflüssig. Braucht es vor diesem Hintergrund überhaupt noch eine weitere digitale Alternative? Die Deutsche Bundesbank als nationaler Vertreter des Eurosystems steht voll hinter der Einführung. „Die Existenz von Zentralbankgeld, also die Tatsache, dass Sie jederzeit privates Geld auf Ihrem Bankkonto gegen den gleichen Betrag in bar tauschen können, sichert das Vertrauen der Menschen in unser Geldsystem“, sagt Julian Reischle, Leiter Zentralbereich Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme bei der Deutschen Bundesbank in Frankfurt.

Was geschieht, wenn in Zukunft Banknoten und Münzen immer seltener werden? „Dann nützt Ihnen das staatliche Geld in Ihrer Hand womöglich nicht mehr viel“, warnt Reischle. Ein digitaler Euro könnte die Ankerfunktion des staatlichen Geldes in Zukunft sichern – gemeinsam mit dem Bargeld. Mit Blick auf die künftige Entwicklung der europäischen Finanzwirtschaft führt Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, noch weitere Argumente an, die für die Einführung eines digitalen Euros sprechen. „Bislang ist es in Europa nicht gelungen, eine einheitliche, europaweite Bezahllösung für die Ladenkasse, für den Onlinehandel sowie für Bezahlungen zwischen Privatpersonen zu etablieren. Ein digitaler Euro könnte die Effizienz des Zahlungsverkehrs erhöhen und darüber hinaus eine digitale Euro-Infrastruktur über innovative, KI-gestützte Bezahlverfahren ermöglichen.“

Für die privaten Verbraucher:innen ist die einfache, bequeme Nutzung, ein hohes Maß an Sicherheit und eine breite Akzeptanz entscheidend, haben bisherige Untersuchungen der EZB ergeben. Eine vollständige Anonymität ließe sich im digitalen Raum zwar nicht eins zu eins replizieren, andere Eigenschaften wie Privatsphäre, Sicherheit und Echtzeitzahlung hingegen sehr wohl. Letztlich wird es in hohem Maße darauf ankommen, ob der Einzelhandel beim digitalen Euro mitzieht. „Der Handel könnte von einer europaweit einsetzbaren Zahlalternative, die sowohl am Point of Sale als auch im E-Commerce funktioniert, stark profitieren“, wirbt Julian Reischle für das digitale Bargeld.

Mehrere Optionen
Wie die Prozesskosten des neuen Bezahlverfahrens verteilt werden sollen, wird derzeit noch diskutiert. Es zeichnen sich aber Entwicklungstendenzen ab: So könnten Banken und andere Zahlungsdienstleister für die von ihnen erbrachten Services entschädigt und per Gesetz sichergestellt werden, dass der Handel nicht unverhältnismäßig hohe Gebühren zahlen muss. Für Privatpersonen sollte die Nutzung bei Alltagszahlungen grundsätzlich gebührenfrei bleiben. Aus der Sicht des Handels dürfte es von besonderem Interesse sein, wie die Verbraucher:innen mit dem digitalen Euro bezahlen können.

Für die Nutzung auf den Endgeräten wie Smartphone oder Smartwatch werden derzeit zwei Optionen diskutiert: Banken und andere Zahlungsdienstleister könnten den digitalen Euro in ihre eigene Plattform integrieren, sodass Nutzer:innen über ihre gewohnten Bankingapps und Schnittstellen auf den digitalen Euro zugreifen könnten. Für kleinere Banken und andere Zahlungsdienstleister, die keine eigene App haben, würde zusätzlich eine eigenständige Anwendung für den digitalen Euro bereitgestellt. Für die technische Umsetzung sind die nationalen Zentralbanken auf die Kooperationsbereitschaft der Privatwirtschaft und der Geschäftsbanken angewiesen, an deren Rollenverteilung nicht gerüttelt werden soll.

Zugriff online und offline
Zunächst soll die Nutzung des digitalen Zentralbankgeldes über ein Smartphone als Zugangsmedium bei der ersten Ausgabe eines digitalen Euros besondere Priorität haben. Der digitale Euro soll aber auch ohne Internetverbindung einsetzbar sein, zum Beispiel über physische Karten. Andreas Martin, Vorstand Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e. V. (BVR), würde den Zwilling des Euro-Bargelds als „offlinefähiges Inhaberinstrument“ begrüßen, „limitiert und analog zum vollen Portemonnaie“.

Zurzeit arbeiten EZB, Banken und Interessenvertreter: innen das Regelwerk aus. Eingebunden ist dort auch der Einzelhandel über europäische Institutionen. Bis Oktober sollen sämtliche Ausgestaltungsoptionen in Ausschüssen unter Federführung der EZB geprüft und zu einem Gesamtdesign für einen digitalen Euro zusammengeführt werden. Auf dieser Basis will der EZB-Rat entscheiden, ob das Projekt in einer nächsten Phase zu einer tatsächlichen Einführung fortgesetzt wird. Diese Phase soll mindestens drei Jahre dauern. Zeitgleich arbeitet die Politik an einem rechtlichen Rahmen für den digitalen Euro, ein entsprechender Vorschlag der EU-Kommission soll bereits Ende Juni in die Abstimmung mit den Mitgliedstaaten gehen. Auch wenn eine Einführung zum heutigen Zeitpunkt noch ungewiss ist: Das Jahr 2023 wird, was den digitalen Euro angeht, richtungsweisend.

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