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Der Motor brennt!

Brandbrief

Seit etwa fünf Monaten ist der Einzelhandel mehr oder weniger geschlossen. Es mehren sich die kritischen Stimmen. In der GZ schreibt Kai Pierre Thieß, Geschäftsführer von Juwelier Hilscher in München, einen Brandbrief.

Liebe Kolleginnen. Liebe Kollegen. Liebe Freunde.

Wir Einzelhändler, Produzenten, Distributeure und Großhändler dieser stolzen Branche des Juwelierhandwerks und -handels in Deutschland sind Mitglieder des Mittelstandes!

WIR SIND der Motor der Gesellschaft. Unser Mut, unsere Innovationskraft und unsere Fähigkeit, das Erbe von Traditionen zu bewahren, tragen diese Gesellschaft. Wir stehen persönlich mit unserem Vermögen für unser Handeln ein. Wir finanzieren unsere Politiker und das Sozialsystem. Wir übernehmen Verantwortung für Menschen und prägen mit unseren Entscheidungen die Zukunft unseres Landes.

NUR EBEN JETZT GERADE NICHT! Gerade jetzt werden wir an den Rand gestellt, müssen zuschauen, wie Lebenswerke binnen kürzester Zeit in Flammen aufgehen, und dürfen lediglich hoffen – auf bessere Zeiten, darauf, dass die Menschen, die Entscheidungen treffen, ohne Verantwortung übernehmen zu müssen, nicht nur ihrem eigenen Vorteil dienen. Wir hoffen, dass es sich noch lohnt, zu hoffen.

Wir rechtfertigen die Aushöhlung unseres Grundgesetzes, Beschränkungen, die unser Leben verändern, und den Entzug der unternehmerischen Freiheit. Warum tun wir das? Diese Haltung können wir uns nicht mehr leisten! Wir sind zum Futtertrog des Staates geworden. Beinahe täglich hagelt es neue Verordnungen, Verbote und Einschränkungen, die wir – wieder in Hoffnung – finanzieren und umsetzen. Gestern Gesagtes hat heute keine Bedeutung mehr, die Verantwortung trägt keiner. Die Konsequenzen jedoch werden wir tragen, sei es in Form einer Corona-Abgabe oder unternehmerisch durch noch einschneidendere Regelungen.

Sämtliche kompetente Kritik, ob von Verbänden, Initiativen oder gar juristischen Instanzen, wird schamlos ignoriert, während in Hinterzimmern das Feld bereitet wird, um an Parlament und demokratischen Instanzen vorbei Entscheidungen zu treffen.

Unter Strafandrohung war bisher in Paragraf 16 der Insolvenzverordnung (InsO) geregelt, dass ein Unternehmen die Insolvenzanmeldung bei Überschuldung unmittelbar anzeigen muss. Nun wurde dieser wichtige Vertrauensmechanismus erneut bis zum 30. April außer Kraft gesetzt für Unternehmen, die staatliche Unterstützung erhalten, und eine erneute Verlängerung ist wahrscheinlich. Die Folge ist die Verschiebung einer Insolvenzwelle, von der laut der Union Mittelständischer Unternehmen circa 20.000 bis 25.000 Unternehmen betroffen sein werden. 1,5 bis 2 Millionen Arbeitslose sind das prognostizierte Ergebnis. Die Frage, welchen Zusammenhang es zwischen der Verschiebung der Insolvenzwelle und der Bundestagswahl am 26. September gibt, kann jeder für sich selbst beantworten. Welche Folgen es für ein Unternehmen in schwierigen Zeiten hat, wirtschaftliche Beziehungen mit einem anderen Unternehmen zu führen, das eigentlich insolvent ist, dies aber nicht anzeigen muss, steht außer Frage. Zahlreiche daraus resultierende Insolvenzen sind die logische Konsequenz.

Es gilt: Wer nicht die Meinung einer selbsternannten Machtelite teilt, wer an Kompetenzen, Tragfähigkeit oder gar Rechtmäßigkeit zweifelt, wer Verhältnismäßigkeit oder nachhaltige Lösungen fordert, dessen Stimme wird mit dem Totschlagargument des Leugners im Keim erstickt. Ein demokratischer Diskurs oder die Freiheit, dialektisch zu denken, werden schmerzlich vermisst. Das Recht auf freie Meinungsäußerung, Gewaltenteilung, Unabhängigkeit der Politik – in den jetzigen Zeiten klingt das wie eine Utopie.

Ich ermutige die Mitglieder unserer Branche dazu, ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen. Jeder Unternehmer steht für zig Angestellte, für deren Familien und für viele weitere Menschen. Nutzen Sie Ihren Einfluss, leisten Sie Ihren Anteil am Diskurs. Wir als Mittelständler sind das Zentrum, nicht nur der wirtschaftlichen Gesellschaft, und wir dürfen uns nicht zum Zuschauen verdammen lassen. Oder dazu, der Goldesel zu sein, der am Ende die Zeche zahlen wird.

In jeder Region gibt es mittlerweile Initiativen. Schauen Sie, wer von Ihren Kunden und befreundeten Unternehmen sich bereits engagiert, und fragen Sie sich, ob es nicht auch an der Zeit wäre, am Versuch teilzunehmen, unsere Wirtschaft, unsere Unternehmen und die Leben der Menschen, die daran hängen, zu retten.

Unter dem Motto „Wir stehen zusammen“ hat sich im Februar in Oberbayern eine Unternehmerinitiative gebildet. Sie wendet sich gegen das Narrativ eines unbedingt notwendigen Lockdowns, um die Pandemie zu beenden. Die Argumente der Initiative stützen sich darauf, dass bereits ausreichend Möglichkeiten bestehen, um sich vor dem Covid-19-Virus zu schützen. Da ausreichend Masken vorhanden sind, Abstands- und Hygieneregeln erarbeitet wurden, die sich im Sommer und Herbst 2020 bewährt haben, gibt es keinen Grund, um die Gastronomie, den Einzelhandel sowie Kultur- und Freizeiteinrichtungen geschlossen zu halten. Der Sprecher der Initiative „Wir stehen zusammen“ erklärt: „Jeder Krankheits- und Todesfall ist einer zu viel. Aber es bringt nichts, die gesamte Gesellschaft und die Wirtschaft zu lähmen, das wird in die wirtschaftliche Not führen, dann fehlt das Geld für Krankenhäuser und Schulen. Wir wollen nichts verharmlosen, aber wir plädieren für Verhältnismäßigkeit.“ Das sehen offensichtlich viele so. Aktuell unterstützen 3500 mittelständische Unternehmer den Weg von „Wir stehen zusammen“. Und es werden täglich mehr.

Wir müssen nicht am Rande stehen und zuschauen, wie Lebenswerke vernichtet werden. Wenn Sie nicht davon überzeugt sind, dass alles, was gerade passiert, zu unserem Besten ist, dann sollten Sie die unmittelbaren Konsequenzen, die ein Einstehen für unsere Werte nach sich ziehen könnte, weniger fürchten als die trost- und hoffnungslose Zukunft, die uns bevorsteht. Es geht um nichts weniger als um unsere Existenz und die Zukunft unseres Landes!

Wie sagte Erich Kästner: „Nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken.“

Ihr Kai Pierre Thieß

www.wir-stehen-zusammen.com

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