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Krieg in der Ukraine und die Folgen

Putins Angriff auf die Ukraine ist die größte humanitäre Katastrophe seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Auch die Schmuck- und Uhrenbranche ist gefordert.

Nach dem ersten Schreckmoment tut sich etwas. In der zweiten Woche des brutalen Angriffs auf die Ukraine, ein demokratisches Land im Herzen Europas, läuft eine Welle der Solidarität rund um den Globus und durch Deutschland - auch in unserer Branche. Die Pforzheimer Perlschmuckdesignerin Yana Nesper, eine gebürtige Ukrainerin, rief Anfang März zu Spenden für ihre Heimatstadt Mykolajiw in der Südukraine auf. Bereits nach einem Wochenende hatte sie ihre Spendenziel von 30.000 Euro erreicht. „Eine meiner Freundinnen aus der Studienzeit, Alla Ryaschskich, ist im Gemeinderat von Mykolajiw und organisiert die humanitäre Versorgung der örtlichen Bevölkerung“, schreibt sie in ihrem Aufruf. „Sie ist eine Frau der Tat. Viele der Ukrainer, unser Präsident Selenskij allen voran, wachsen über sich hinaus. Sie sind wild entschlossen, ihr Land zu verteidigen und die Bevölkerung zu schützen. Ich starte einen Spendenaufruf an alle, damit unsere Ohnmacht und unsere Wut der letzten Tage wenigstens ein kleines Ventil finden.“ Durch ihre direkten persönlichen Kontakte bekommt sie das Leid ungefiltert aus dem Kriegsgebiet mit und kann auch sicherstellen, dass das Geld bei den Menschen ankommt.

Zahlreiche Spendenaktionen wurden gestartet

Die Uhrenmarke Hanhart versteigerte ebenfalls Anfang März über Ebay sein beliebtes Model 417 ES mit der Seriennummer 1. Der gesamte Erlös kam der “Aktion Deutschland Hilft” zugute. Und Thomas Sabo startete einen Spendenaufruf zusammen mit RTL für notleidende Kinder in der Ukraine. Der Firmengründer spendete privat zudem 250.000 Euro. Zahlreiche Schmuckdesigner aber auch Messen wie die Sieraad und Juweliere wie der Filialist Christ posteten in den Sozialen Medien Solidaritätsbekundungen. Breitling Chef Georges Kern nahm in Zürich sogar an einer Kundgebung gegen die Invasion mit 25.000 Menschen teil, allerdings privat. Ein offizielles Statement von Breitling gibt es bis dato nicht. Rolex, Patek Philippe, Audemars Piguet and Richard Mille halten sich bislang mit Verlautbarungen zum Angriffskrieg ebenfalls zurück.

Russischer Luxusgütermarkt wird ausgetrocknet

Doch inwieweit berührt das Geschehen neben dem ganzen menschlichen Leid die Schmuck- und Uhrenindustrie auch geschäftlich? Russland ist mit seinen Oligarchen zumindest ein Nachfrager auf dem Luxusmarkt. Bereits mit Beginn der Invasion häuften sich Berichte, dass reiche Russen verstärkt Schmuck und Uhren kauften, um etwas gegen das Dahinschmelzen ihres Barvermögens zu tun. Bulgari-CEO Jean-Christophe Babin sagte: „Kurzfristig hat es wahrscheinlich [unser russisches] Geschäft angekurbelt. Wir sind für das russische Volk da und nicht für die politische Welt. Wir sind in vielen verschiedenen Ländern tätig, in denen Zeiten der Unsicherheit und Spannungen herrschen.“ Laut der Unternehmensberatung Bain macht der weltweite Anteil Russlands an den Luxusgütermärkten jedoch lediglich zwei bis drei Prozent aus. In der Ausfuhrstatistik der Schweizer Uhrenindustrie rangiert Russland auf Platz 17. Zumindest die großen Luxusgüterhersteller wie LVMH, Richemont, Kering, Swarovski, Hermés, Prada sehen das nicht so locker wie Babin, haben ihre Aktivitäten Putins Reich gestoppt und ihre Läden geschlossen. Auch die Swatch Group liefert nicht mehr ins Land des Aggressors, lässt aber die Geschäfte noch auf. Allerdings sind diese Maßnahmen nicht gänzlich altruistisch, da aufgrund der Blockierung von Swift und der Rückzug aller internationalen Kreditkartenunternehmen momentan eine zuverlässige Zahlungsabwicklung nicht möglich ist. Zudem fürchten viele einen Imageverlust, vor allem auf ihrem Hauptmarkt USA, der derzeit floriert und die Ware, die sonst nach Russland gegangen wäre, problemlos aufnimmt.

Blockade von Alrosa wird diskutiert

Ein weiterer Aspekt ist der Markt für Schmuckrohstoffe. Bei Diamanten und anderen Edelsteinen ist Russland ein bedeutender Player, bei Gold und Platin sogar der zweitgrößte Anbieter. Der zu einem Drittel in Staatsbesitz befindliche Konzern Alrosa deckt circa 28 Prozent des Weltmarkts für Rohdiamanten ab. Er ist damit noch vor De Beers (20 %) der größte Marktteilnehmer. Allerdings muss man dazu sagen, dass große Anteile des an der Börse gehandelten Konzerns in der Hand von US-amerikanischen sowie Europäischen Investoren sind. Man trifft mit einem generellen Bann also nicht nur den russischen Staat. Alrosa hat bereits zu Beginn der Sanktionen des Westens seine Beteiligung am Natural Diamond Council (NDC) ausgesetzt und alle Aktivitäten eingestellt. Darüber hinaus ist Peter Karakchiev, Vizepräsident für internationale Angelegenheiten bei Alrosa, als stellvertretender Vorsitzender des Responsible Jewellery Council (RJC) zurückgetreten. Allerdings ist Alrosa immer noch ein zertifiziertes Mitglied der Gruppe. Einige fordern schon, dass der RJC diese aussetzt, da die Mitgliedschaftsvereinbarung besagt, dass die Zertifizierung entzogen werden kann, wenn ein Unternehmen „an Aktivitäten beteiligt ist, die den RJC in Verruf bringen könnten“. Russland ist auch Mitglied des Kimberley-Prozesses (KP), dem Zertifizierungssystem, das verhindern soll, dass Konfliktdiamanten in die Industrie gelangen. Nach der Invasion haben einige vorgeschlagen, dass die KP russische Diamanten als Konfliktdiamanten bezeichnen könnte. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass das Zertifizierungssystem oder die darin tätige Gruppe von NGOs dies fordern wird, da die KP-Charta keine Streitigkeiten abdeckt, die nicht direkt mit Diamanten in Verbindung stehen.

Verband der US-Juweliere rät vom Kauf russischer Diamanten ab

Der Verband der US-Juweliere gab allerdings eine Warnung an seine Mitglieder heraus, dass ihnen aufgrund „ernsthafter ethischer, Reputations- und Rechtsrisiken“ dringend rät, Maßnahmen zu ergreifen, um den Kauf oder Verkauf von Diamanten, Edelmetallen und/oder Edelsteinen einzustellen, die russischer oder weißrussischer Herkunft sind.“ Sie rät Juwelieren, schriftliche Zusicherungen von Lieferanten einzuholen, dass sie keine russischen Diamanten verkaufen. Noch ist es für Bürger der USA, der EU und des Vereinigten Königreichs legal, mit Alrosa sowie allen nicht sanktionierten russischen Unternehmen Geschäfte zu machen. Auch die Ausfuhr italienischer Luxusgüter ist von den Sanktionen ausgenommen. Alrosa darf momentan lediglich keine neuen Aktien herausgeben oder Anleihen auflegen. Allerdings ist es aufgrund der Finanzsanktionen derzeit fast unmöglich, die Ware zu bezahlen. Und aufgrund der Einschränkungen beim internationalen Verkehr dürften auch die Lieferungen schwerfallen.

Der Weltverband der Diamantbörsen WFDB schloss einen generellen Bann aus, dass sei Sache der jeweiligen Länder. Tom Neys, Sprecher des belgischen Antwerp World Diamond Centre, nennt das Ausbleiben genereller Sanktionen „vernünftig“, da die Diamanten wahrscheinlich ohnehin gekauft würden. „Eine Sanktion bedeutet, dass Sie einem Gegenüber finanziell schaden wollen, aber das ist bei russischen Diamanten nicht der Fall“, sagt er. „Sie werden leicht einen anderen Markt außerhalb der EU finden, um ihre Diamanten zu verkaufen, wenn sie wollen.“ Das ist ein klarer Hinweis auf Antwerpens Erzrivalen Dubai, Vereinigte Arabische Emirate (VAE). Die VAE gelten als Hot Spot für die russische Finanzwelt und haben gesagt, dass sie bei der Invasion „keine Partei ergreifen“. Laut der Brussels Times wurden im Jahr 2020 russische Diamanten im Wert von über 1 Milliarde Euro durch Antwerpen geschleust. Die Sorge ist groß, dass Sanktionen dem Handelsstandort nachhaltig schaden könnten. Einige Insider sehen bereits das Ende Antwerpens als Handelsplatz für Diamanten, falls es weitreichende Sanktionen gegen Alrosa geben sollte.

Bruce Cleaver, CEO von De Beers sagt, dass eine Unterbrechung oder Begrenzung des russischen Angebots die Preise des Rohsteinangebots erhöhen könnten, aber er glaubt nicht, dass dies für den Markt besonders gesund sei. „Künstliche Versorgungsengpässe sind nicht unbedingt gut für irgendjemanden“, meint Cleaver. Allerdings fordern einige Marktteilnehmer, dass die Mitglieder des Weltverbands der Diamantbörsen, wenn sie ihre hohen selbst gesetzten ethischen Ansprüche ernst nehmen, den Handel mit russischen Diamanten aussetzen müssten. Es gibt eine Alternative: Diejenigen, die russische Diamanten nicht mehr zu Schmuck verarbeiten möchten, kaufen ausschließlich Rohware mit Herkunftszertifikat. Sie haben bei den größeren Steinen die Wahl - allerdings muss man mit deutlichen Aufschlägen rechnen. So hat es jeder selbst in der Hand, moralisch auf der richtigen Seite zu sein.

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