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„Die Bürokratie verhindert viele Übernahmen“

Joachim Dünkelmann, Geschäftsführer des Handelsverbandes Juweliere BVJ, sieht zahlreiche Hürden für eine Unternehmensnachfolge im Handel, aber gute Perspektiven für diejenigen, die es wagen. In der November-Ausgabe der GZ wird das Thema Unternehmensnachfolge ausführlich im Brennpunkt behandelt.

GZ: Wie geht man eine Unternehmensnachfolge im Einzelhandel an?

Joachim Dünkelmann: Man kann grundsätzlich nicht früh genug anfangen, um die Nachfolge zu regeln. Das ist ein komplexer Vorgang, das gilt nicht nur für die Übernahme in der Familie, sondern auch, wenn Mitarbeiter oder Externe das Unternehmen übernehmen sollen. Die Finanzierung, die ganzen rechtlichen Aspekte verlangen eine intensive Vorbereitung. Es ist für beide Parteien eine völlig neue Materie, mit der man sich bestenfalls nur einmal im Leben beschäftigen muss.

Meistens scheitern die Übernahmen…

Ja, zum einen ist es für viele Unternehmer eine Hürde, zu sagen: Ich höre auf. Viele scheuen vor dem Thema zurück und schieben es auf die lange Bank, bis es dann aus Altersgründen gar nicht mehr anders geht. Hinzu kommt: Es wird als Schwäche ausgelegt, wenn man perspektivisch ankündigt, in vier oder fünf Jahren aufhören zu wollen. Unterstützen nach solch einer Aussage einen noch die Lieferanten? Was sagt der Vermieter? Rechnen die Kunden mit Rabattaktionen und warten erstmal ab mit dem Einkauf? Dabei handelt es sich um die Wahrnehmung der unternehmerischen Verantwortung, hier frühzeitig die Weichen zu stellen. Insbesondere Geschäftsinhaber, bei denen der Nachwuchs oder Mitarbeiter fehlen, die Interesse an einer Übernahme haben, tun sich schwer. Wer aber erst ein oder zwei Jahre bevor er aufhören will sich um eine Nachfolge kümmert, der ist in der Regel zu spät dran, weil sich so schnell niemand findet. Und das liegt nicht daran, dass die wirtschaftlichen Perspektiven in der Branche schlecht sind. Wir haben eine konstante Umsatzentwicklung. Die Zukunftsaussichten sind also je nach Standort gut.

Häufig übernehmen lokale Juweliere die Standorte, es bilden sich kleine Filialisten, richtig?

Ja, es ist ein Signal dafür, dass sich die Standorte rechnen. Da kann man als Beispiele Scheurenbrand, Vogl oder Lorenz nehmen, die Standorte von Kollegen übernommen haben. Viele nutzen die Skaleneffekte, denn die Verwaltung und der bürokratische Aufwand ist gleich, egal, ob man einen Laden oder mehrere Geschäfte betreibt. Sie profitieren so von einer besseren Kostenstruktur, höherer Effizienz und haben zudem auch mehr Argumente bei den Lieferanten.

Ein weiteres Problem ist, das viele junge Menschen im Einzelhandel keine Perspektive sehen?

Ja, viele Kinder wollen den elterlichen Betrieb nicht übernehmen, da es ihnen schlichtweg mit zu viel Arbeit verbunden ist - Stichwort Work Life Balance. Und, es gibt heute so viele Möglichkeiten bei der Berufswahl. Viele alternative Entwicklungsmöglichkeiten konkurrieren um den Nachwuchs. Der Wettbewerb um die Zukunftsaussichten junger Leute ist groß. Viele studieren lieber, als in den Einzelhandel oder ins Handwerk zu gehen. Der Wettbewerb um Talente wirkt sich also auch auf die Nachfolgeproblematik aus.

Sie erwähnten auch die Bürokratie. Ist das auch ein Hinderungsgrund für eine Übernahme?

Jetzt kommen wir zu einem wichtigen Aspekt. Die Hürden, die uns der Staat bei der Unternehmensübernahme in den Weg legt, sind enorm. Sei es Vererbung, Schenkung oder Verkauf: Oft sind hier viele von den bürokratischen und steuerlichen Lasten, die sie dafür zu tragen haben, überfordert. Der Aufwand, den man betreiben muss, um ein Unternehmen erst zu bewerten, dann zu übergeben und später zu führen macht das Ganze für viele junge Menschen unattraktiv. Der große und ständig wachsende Anteil an Aufgaben und Pflichten, die mit dem operativen Geschäft nichts zu tun haben, wächst. Unternehmer zu sein in Deutschland ist zunehmend nur noch mit der Erfüllung behördlicher und gesetzlicher Pflichten verbunden. Viele Übernahmen scheitern letztlich an der überbordenden Bürokratie und der hohen Steuerlast. Da muss sich dringend etwas ändern. Trotz der Bürokratie ist es heute einfacher, ein Unternehmen neu zu gründen, als eins zu übernehmen.

Aber, der Einzelhandel leidet auch unter Frequenzrückgängen…

Das ist gar nicht das drängendste Problem, die meisten Geschäfte liegen in guten Innenstadtlagen. Die haben aber eine unsichere Perspektive. Das liegt auch an verfehlten Maßnahmen der Städteplanung insbesondere der katastrophalen Verkehrspolitik. Da mischen so viele Player mit, wie die Kommunen, das Land und auch der Bund. Oft laufen die Verantwortlichen alten Rezepten hinterher. Diese dynamischen Strukturveränderungen in den Innenstädten erschweren die Standortplanung. Keiner weiß, wenn er in den Standort investiert, wie er sich in Zukunft entwickeln wird. Auch das verunsichert viele potenzielle Übernahmewillige. Insgesamt sind es mehr externe Faktoren, die eine Nachfolge erschweren, als die Herausforderungen des Unternehmertums selbst.

Was tut der BVJ, um die Nachfolgesituation zu verbessern?

Die Unterstützung in Form von Beratung, Vernetzung und Vermittlung findet vornehmlich auf regionaler Ebene statt. Denn potenzielle Nachfolger rekrutieren sich zumeist lokal. Hier sind die Landes- und Regionalverbände des Einzelhandels aktiv. Als BVJ können wir immer nur Netzwerke knüpfen, Know-how vermitteln und auf die Politik zum Beispiel beim Thema Bürokratieabbau Druck ausüben. Ich begleite zurzeit drei Juweliere bei der Nachfolgeregelung, die aber damit noch nicht an die Öffentlichkeit gehen wollen. Die möchten innerhalb der nächsten fünf Jahre ihr Unternehmen abgeben und haben noch niemanden. Hier knüpfen wir im Hintergrund Kontakte und beraten. Ich sehe gute Chancen für sie, dass es weitergeht.

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