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Welche Rückverfolgungssysteme für Diamanten gibt es bereits?

Die EU will den Weg der Diamanten "von der Mine bis an den Finger" transparent machen. Wer kann das?

Dass Lieferketten transparent werden, ist das Ziel in vielen Branchen. Es geht dabei meist um konfliktfreie Herkunft, kurze Transportwege, gute Aufzuchtbedingungen. Wer wissen will, wo sein Ei, seine Milch oder das Papier der Zeitung herkommen, kann das heute oft schon mit dem Smartphone checken. Dahinter steckt in den meisten Fällen ein Blockchain-basiertes Tracking. Auch im Bereich der Diamanten und Edelsteine gibt es mehrere solcher Systeme, deren Zahl der Teilnehmer und verzeichneten Diamanten ist im Moment aber überschaubar, wenn man den Gesamtmarkt sieht: Die Systeme sind aufwendig und teuer sind, was bei kleinen Diamanten kaum lohnt. Mit der Sanktionsentscheidung dürften sie jetzt ein massives Wachstum erleben.

Bereits seit 2015 ist Everledger am Markt, ein in London ansässiges Technologieunternehmen. Im Mai 2023 ging es in eine Planinsolvenz und restrukturierte sich. Aus den Daten von Diamantzertifikaten, insbesondere den 4Cs (Farbe, Schliff, Reinheit, Karat) und weiteren Metadaten generiert Everledger einen eindeutigen Identifizierungscode für jeden Stein und gibt an, damit jederzeit zu wissen, wem welcher Diamant gehört und wo er sich befindet. Gründerin Leanne Kemp gilt als bestens vernetzt in Brüssel, Antwerpen und der Branche. Zwei Anfragen der GZ zur geplanten EU-Blockchain ließ sie allerdings unbeantwortet.

Der Diamantkonzern de Beers hat das System Tracr für seine Diamanten und Sightholder entwickelt, Mitte letzten Jahres aber auch für andere Branchenteilnehmer freigeschaltet. Mittels künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen würden die Merkmale eines Diamanten analysiert und anschließend ein unveränderlicher digitaler Datensatz in einer Blockchain erstellt, in dem Informationen über die Echtheit und Herkunft eines Diamanten gespeichert werden, heißt es auf der „Tracr“-Website. Jeder Diamant erhält so eine einzigartige digitale ID, eine sichere Rückverfolgbarkeit von Diamanten über die gesamte Lieferkette hinweg erlauben soll. Auf Anfrage teilt eine Sprecherin von de Beers mit, „Tracr“ sei die „weltweit fortschrittlichste Plattform zur Rückverfolgbarkeit von Diamanten“, habe aber „noch nicht die Reichweite, die erforderlich wäre, um die Ziele der G7 in den angegebenen Zeiträumen zu erreichen.“ Man warte noch auf Einzelheiten zu dem von den G7 geplanten Überprüfungs- und Zertifizierungsmechanismus.

Das Blockchain-Prinzip

Krypto-Währungen wie Bitcoin oder Etherum basieren auf dem Blockchain- Prinzip, weil es auf sich gegenseitig bestätigender Information beruht und so ohne zentrale Steuerung oder Überwachung für Vertrauen zwischen Marktteilnehmern sorgt. Das Prinzip kommt in immer mehr Marktbereichen zur Anwendung.

Bei einer Blockchain handelt es sich um eine über viele Server verteilte, öffentliche Datenbank. In ihr werden verschlüsselt Informationsblöcke abgelegt. Jede Information erzeugt chronologisch einen neuen Eintrag in der Datenbank, reiht sie also wie eine Kette („chain“) aneinander. Jeder Eintrag kann nur mittels einer Prüfsumme entschlüsselt werden, die immer Bezug auf die vorher abgelegten Informationen nimmt, sodass die kleinste Änderung an vorherigen Einträgen alle folgenden „Schlüssel“ wertlos machen würde. Dadurch sind die Informationen im Nachhinein nicht änderbar.

In einem „Ledger“ (Register oder Hauptverzeichnis) werden sämtliche Transaktionen in der Blockchain dokumentiert.

Provenance Proof ist aus dem renommierten Gübelin Gem Lab heraus entstanden. Das System nutzt die Blockchain-Technologie von Everledger in Kombination mit DNA-Nanolabeln und kam bisher vor allem für Farbsteine zum Einsatz, von denen bereits rund 11 Millionen in der Blockchain verzeichnet sind. Gemeinsam mit Gerhard Hahn wurde kürzlich eine Lösung für Diamanten entwickelt. Geschäftsführer Klemens Link sagt, dass ihn staatliche Akteure bisher nicht kontaktiert haben, sehr wohl aber Händler und viele Schmuckhersteller, die nach Lösungen für mehr Transparenz suchen.

HB Antwerp, 2020 gegründet, hat seinen Sitz im Antwerpener Diamantviertel. Die Firma machte bisher vor allem Schlagzeilen, weil sie sich auf das Schleifen spektakulär großer Diamanten spezialisiert hat und sich der Staat Botswana an ihr beteiligen will. Gemeinsam mit dem amerikanischen Software- und Cloudgiganten Microsoft hat HB Antwerp aber auch eine Blockchain-Lösung entwickelt, mit der sie den Weg ihrer Diamanten lückenlos dokumentieren kann.

Ebenfalls aus Belgien stammt das Start-Up Itraceit, das angibt, den ersten „Reisepass“ für Diamanten entwickelt zu haben. Das System funktioniere durch eine Kombination aus Blockchain und QR-Codes, so CEO Frederik Degryse. In der Blockchain würden alle Informationen dezentral gespeichert. Anschließend werde an jedem Meilenstein entlang der Route ein QR-Code erstellt, der Zusatzdaten enthält, beispielsweise ein Foto oder ein Kimberley-Zertifikat. Das 2021 gegründete Unternehmen hat nach eigenen Angaben bisher rund 80 Kunden und will verstärkt nach Indien und den USA expandieren.

Das israelische Technologie-Unternehmen Sarine bietet mit „Diamond Journey“ eine Tracking-Lösung, die auf bestehender Infrastruktur der Firma basiert (die Firma ist führend in Soft- und Hardware für die Analyse und Bearbeitung von Diamanten), betreibt aber keine eigene Blockchain. „Wir verarbeiten jedes Jahr über 100 Millionen Diamanten mit unserer Technologie in verschiedenen Phasen der Diamantenverarbeitung (wobei Zehntausende von Systemen im Einsatz sind). Mithilfe der Daten, die wir von unseren Technologien erhalten, und geschützten Abgleichalgorithmen können wir die Diamanten auf ihrem Weg durch die Diamanten-Pipeline verfolgen“, sagt CEO David Block im Interview mit der GZ. Die Sarine-Lösung, die seit 2018 in Entwicklung sei, lasse sich problemlos in andere Plattformen wie die von Blockchain-Anbietern integrieren. So gaben Sarine und Tracr im Oktober 2023 bekannt, dass sie miteinander kooperieren.

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