Russland-Sanktionen

Alle News

| Russland-Sanktionen

Zur Transparenz gezwungen

Was ist geplant? Was sind die Folgen? Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Umsetzung der Sanktionen gegen russische Diamanten

Die Sanktionen der G7 und der EU gegen russische Diamanten bergen Sprengstoff für die Branche: Der Staat verschafft sich damit Einblick in den Weg der Diamanten „von der Mine bis zum Finger“. Die Branche fürchtet großen bürokratischen Aufwand bei wenig Wirkung. Denn dass die Sanktionen Russland wirksam vom Diamantmarkt abkoppeln, dürfte Wunschdenken der G7-Politiker bleiben.

Die in großen Kreisen blubbernde Ostsee vor der schwedischen Küste machte Ende September 2022 Schluss mit der Hoffnung, Deutschland könne trotz des Angriffs von Russland auf die Ukraine doch noch billiges russisches Gas beziehen, um seine „Energiewende“ halbwegs bezahlbar zu halten. Die Explosionen der Nordstream-Pipelines zerstörten diese Illusion endgültig, sorgten für heftige Verwerfungen an Energiemärkten und befeuerten die hektische Suche nach Alternativen.

Jeder wusste, es ist unmoralisch, weiter russisches Gas zu beziehen und die Kriegskasse des Kremls zu füllen. Aber erst als es keinen Weg zurück mehr gab, wurden die Alternativen ernsthaft geprüft und umgesetzt.

An diesen explosiven Moment erinnert das, was am 6. Dezember 2023 erst die G7 – ein informeller Zusammenschluss Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Japans, Kanadas, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten – und am 18. Dezember die EU-Kommission in ihrem 12. Sanktionspaket in Bezug auf den Import von russischen Diamanten veröffentlichte. Mittels eines zentralen, digitalen Registers soll der Weg der Diamanten „von der Mine bis zum Finger“ transparent werden. Das Timing ist ambitioniert: Bereits am 1. März soll das Register in eine Pilotphase starten und zum 1. September für alle Importe in G7-Staaten verbindlich sein.

Transparenz? Hat die Branche lange diskutiert, aber nur in homöopathischen Dosen geliefert. Russische Diamanten? Hat gemäß gegenseitigen Zusicherungen niemand mehr gekauft. Dass Alrosa keine Einbußen hatte? Waren die anderen dran schuld. Ganz klar.

Die Beschlüsse fordern von der Branche nun das Maximum an Transparenz in kürzester Zeit.

Entsprechend harsch ist das Echo von Händlern, Schleifern und Schmuckherstellern: „Das ist politisches Harakiri“, „völlig am Thema vorbei“ oder „muss man für Symbolpolitik unser Geschäft zerstören?“, hört man dieser Tage unter anderem. Dabei stellt im Grunde niemand infrage, dass die Sanktionen richtig sind.

Die Folgen für die Branche genau abzuschätzen fällt momentan auch schwer, da viele Details noch unveröffentlicht sind. Wir haben uns durch zahlreiche Dokumente gewühlt, an die G7, die EU-Kommission, die Bundesregierung, den Zoll, an Verbände, Tracing-Anbieter, Minenbetreiber, Händler und Schmuckhersteller gewandt, um Antworten auf die wichtigsten Fragen zu erhalten. Unseren Informationsstand dazu haben wir hier für Sie zusammengestellt und werden ihn aktualisieren, sobald sich neue Erkenntnisse oder auch neue Fragen ergeben.

 

Was wurde beschlossen?

Die Sanktionen gegen russische Diamanten greifen in drei Phasen:

Phase 1: Verbot von Direktimporten aus Russland
Schon seit dem 1. Januar ist es verboten, Rohdiamanten oder geschliffene Diamanten – ob natürlich oder im Labor gezüchtet – zu kaufen, ein­zuführen oder weiterzugeben, sofern sie direkt aus Russland stammen und nicht für industrielle Zwecke gedacht sind.

Phase 2: Importverbot von bearbeiteten Diamanten russischer Herkunft
Ab dem 1. März gilt das Verbot auch für Diamanten von 1 Karat oder mehr, die aus Russland stammen, aber in einem anderen Land als Russland bearbeitet wurden.

Phase 3: Ausweitung der Gültigkeit
Ab dem 1. September wird das Verbot auf russische Diamanten ab 0,50 Karat ausgeweitet sowie auf Schmuck und Uhren, die solche Diamanten enthalten.

Am 3. Januar wurden zudem der russische Diamantkonzern Alrosa und sein Geschäftsführer Pawel Alexejewitsch Marinytschew namentlich auf die EU-Sanktionsliste gesetzt. Geschäfte mit ihnen sind damit grundsätzlich untersagt.

Zur Größenordnung: Alrosa setzt rund vier Mil­liarden Dollar im Jahr mit Rohdiamanten um, wovon vor dem Krieg gegen die Ukraine 1,8 Mil­liarden in der EU erlöst wurden. Als Gewinn wies der Konzern 2022 etwas über eine Milliarde Euro aus. Die Förderregionen und der russische Zentralstaat sind zu jeweils einem Drittel an Alrosa beteiligt. Selbst wenn der Kreml sämtliche Gewinne für sich behalten würde, geht es also um rund eine Milliarde Dollar an Einnahmen, die ihm über die Sanktionen entgehen könnten, nicht um vier Milliarden, wie vielerorts zu lesen war.

Warum war das nötig?

Die USA haben bereits im Frühjahr 2022, also kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine, russische Diamanten sanktioniert. Der Effekt war allerdings gleich null. Alrosa, in Karat gemessen der größte Diamantförderer der Welt und für 90 Prozent der russischen Diamantexporte verantwortlich, produzierte 2022 und auch 2023 auf gleichbleibend hohem Niveau. Der Umsatz betrug im ersten Halbjahr 2022 188,2 Milliarden Rubel (1,9 Milliarden US-Dollar), 0,2 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum 2022 und 3,5 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum 2021.

Die Sanktionen liefen ins Leere, weil russische Rohdiamanten, die in Indien geschliffen wurden, handelsrechtlich als indische Ware galten (und nach dem Schleifen auch nicht mehr als russisch identifizierbar waren). Die Grafik rechts zeigt den sprunghaften Anstieg der Diamant-Importe aus Indien in die USA. Russische Diamanten kamen sehr wahrscheinlich einfach in "gemischten Päckchen" ins Land.

Dieses Schlupfloch wollten die G7 und die EU nun schließen und gleichzeitig noch mehr Staaten gewinnen, die russische Diamanten sanktionieren.

Worin steckt der Sprengstoff?

Um die russischen Diamanten im Markt zu isolieren, muss für sämtliche andere Diamanten künftig ein sicherer Herkunftsnachweis geführt werden. Ironischerweise war es der Alrosa-Konzern selbst, der im Juli 2021 als erster Anbieter ein Trackingsystem für seine Diamanten einführte. Sie wurden noch in der Mine mit 3-D-Nanomarkern versehen und in einer Blockchain erfasst. Er wird den G7 nun aber nicht den Gefallen tun, seine Diamanten weiter identifizierbar und damit leicht aussortierbar zu halten.

Das hat Folgen für die Diamantminen, für die Schleifer, für die Händler und auch für Schmuck­hersteller, Goldschmiede und Juweliere.

  • Die Diamantminen müssen die Herkunft ihrer Diamanten unverfälschbar dokumentieren, um ab 1. März weiter in die G7-Staaten liefern zu können.
  • Die Schleifereien, zu 90 Prozent in Indien beheimatet, müssen russische und nicht russische Steine sauber trennen und die bearbeiteten Diamanten zum Rohstein rückverfolgbar halten oder machen.
  • Schmuckhersteller und Goldschmiede werden dokumentieren müssen, welche Diamanten mit welchen Zertifikaten sie in ihren Schmuckstücken verwendet haben.
  • Sehr wahrscheinlich werden auch Juweliere innerhalb eines Rückverfolgungssystems angeben müssen, an wen das Schmuckstück (oder die Uhr) verkauft wurde.
Wie soll das funktionieren?

In einem Frage & Antwort-Papier vom 22. Dezember hat die EU beschrieben, wie die Diamant-Nachverfolgung aussehen soll: Ab 1. März werde ein „robuster, auf Rückverfolgbarkeit basierender Überprüfungs- und Zertifizierungsmechanismus für Rohdiamanten innerhalb der G7“ eingeführt. Die Diamanten müssten „von der Mine bis zum Finger zurückverfolgt werden können“. G7-weit werde dafür ein Blockchain-basiertes Hauptverzeichnis („ledger“) eingeführt, das ab dem 1. März in einer Pilotphase in Betrieb gehen und am 1. September 2024 vollständig online sein werde. Zwischen März und September werden zur Einfuhr in die EU auch andere Herkunftsnachweise akzeptiert: beispielsweise Zertifikate des Kimberley-Prozesses, die ­klare Angaben zur Herkunft enthalten; Einträge aus bereits bestehenden Trackingsystemen oder auch Zertifikate anerkannter Diamantlabore. Ab 1. September sei die Nutzung des „G7-Zertifizierungsmechanismus“ dann verpflichtend für alle Marktteilnehmer. Mit dem zentralen Register sollen alle G7-Staaten, EU-Länder und Wirtschafts­akteure arbeiten, so die EU. Wann das System vorgestellt wird, wie die Registrierung läuft, wer unter welchen Bedingungen Einblick nehmen kann und wen die EU konkret unter „Marktteilnehmern“ und „Wirtschaftsakteuren“ fasst, haben wir bei der EU-Kommission angefragt, bisher aber keine Angaben erhalten.

Klar ist aber: G7 und EU werden kein eigenes Trackingsystem für Diamanten errichten, sondern sich Zugriff auf die Trackingsysteme verschaffen, die es gibt. Wie die GZ aus Verhandlungskreisen erfuhr, werden Kriterien vorgeben, welche Anforderungen die Systeme erfüllen müssen, um innerhalb des „G7 Zertifizierungsschemas“ zugelassen zu sein. Es soll ebenfalls sichergestellt werden, dass der Wechsel von einem System ins andere problemlos möglich ist, wie man es von Strom- oder Telefonverträgen kennt. Als Blaupause für das Register dient wohl das SWIFT-System für Finanztransaktionen, über das staatliche Stellen sämtliche Geldflüsse über Bankkonten nachvollziehen können und aus dem eine Vielzahl russischer Banken schon kurz nach dem Angriff auf die Ukraine einfach entfernt wurde.

Zwischen den G7-Staaten ist im Moment noch in Diskussion, welche Daten in dem zentralen Register einsehbar sein sollen. Zur Sanktionskontrolle wichtig ist ja im Grunde nur die dokumentierte Herkunft; Länder wie Belgien argumentieren aber, dass auch die Werte in der jeweiligen Wertschöpfungsstufe darin erfasst werden müssten, um so Geldwäsche und Steuerhinterziehung vorzubeugen. Das geht wahrscheinlich weit über das hinaus, was die Branche meint, wenn sie über „Transparenz“ spricht.

Wie läuft die Zertifizierung konkret?

Es werde im Register ein „digitaler Zwilling“ des Rohdiamanten abgelegt, heißt es in den Papieren der EU. Dieser Ersteintrag inklusive Foto solle im Herkunftsland, am besten noch in der Mine direkt, vorgenommen werden oder am zentralen „Einfuhrknotenpunkt“. Zu diesem wurde von der EU das belgische Diamanthandelszentrum Antwerpen erklärt. Das ist nötig, damit das System funktioniert: Sämtliche Rohdiamanten über 1 bzw. später 0,5 ct., die für die EU bestimmt sind, sollen hier künftig erst einmal geprüft, zertifiziert und freigegeben werden. Sie erhalten dann eine eindeutige Nummer im System, mit der später auch alle „Kinder“ – die geschliffenen Diamanten – verknüpft bleiben. Das ist wichtig, wenn die bearbeiteten Steine reimportiert und ebenfalls geprüft werden.

Dass Antwerpen auch nachträgliche Herkunftseinträge erzeugen kann – dafür soll die Vorlage eines eindeutigen Kimberley-Zertifikats genügen –, macht das System aber weiter betrugsanfällig: Wirklich unwiderlegbar kann die Herkunft eines Diamanten ja nur in der Mine erfasst werden. Diese Konzession wurde sehr wahrscheinlich gemacht, um Kleinunternehmen und Kleinschürfern (sie fördern rund ein Fünftel der weltweiten Rohdiamanten) zu ermöglichen, weiter im Markt zu bleiben. Der Kimberley-Prozess ist seit 20 Jahren etabliert, neue, aufwendige Trackingverfahren dagegen schwierig weltweit durchzusetzen.

Die zentrale Herausforderung sei auch gar nicht die Einrichtung eines Registers, das am Ende nur Daten speichere, sondern dem Register genau solche Daten zu liefern, die die zweifelsfreie Rückverfolgbarkeit eines Diamanten über die verschiedenen Verarbeitungsschritte hinweg erlauben, sagt David Block, CEO des israelischen Technologiekonzerns Sarine, der GZ. Er bestätigt, an Gesprächen mit mehreren Industrie- und Regierungsorganisationen im Umfeld der G7-Verhandlungen beteiligt gewesen zu sein. Das Unternehmen hat unter anderem Lösungen für die Diamantuntersuchung und -bewertung, aber auch für Planung der Bearbeitung von Diamanten entwickelt und gilt in dem Bereich als weltweit führend. Mit „Diamond Journey“ bietet Sarine eine Trackinglösung, die auf bestehender Infrastruktur der Firma basiert. „Wir verarbeiten jedes Jahr über 100 Millionen Diamanten mit unserer Technologie in verschiedenen Phasen der Diamantenverarbeitung (wobei Zehntausende von Systemen im Einsatz sind). Mithilfe der Daten, die wir von unseren Technologien erhalten, und geschützten Abgleichalgorithmen können wir die Diamanten auf ihrem Weg durch die Diamanten-Pipeline verfolgen“, sagt David Block. Die Sarine-Lösung lasse sich problemlos in andere Plattformen wie die von Blockchain-Anbietern integrieren. Die in den Sanktionen vorgesehene Begrenzung auf 1 bzw. 0,5 Karat verkleinere die Menge an Diamanten, die für die Rückverfolgung tatsächlich relevant ist, enorm, „sodass die Einführung einer solchen Rückverfolgbarkeit bei diesen Diamanten aus unserer Sicht kein großes Unterfangen darstellt, wie es bei der Einführung für alle Diamanten der Fall wäre“.

Kann Antwerpen das Volumen bewältigen?

Zahlreiche Branchenexperten, mit denen wir über die Entscheidung sprachen, meldeten Zweifel an, dass die Antwerpener Diamantbörsen über die personellen und technischen Kapazitäten verfügen, die nötigen Prüfungen vorzunehmen. Die Europäische Kommission dagegen verweist darauf, dass bereits heute 99,99 Prozent der Rohdiamantimporte in die EU über Antwerpen abgewickelt würden. Die Antwerpener Börsen hätten zudem zugesichert, dass die Bearbeitung maximal 24 Stunden dauere. Ab 1. März umfassen die Sanktionen aber auch geschliffene Diamanten und ab 1. September sogar Schmuck und Uhren. Wie insbesondere Letztere geprüft und freigegeben werden sollen, ist bis dato unklar. Antwerpen habe damit keinerlei Erfahrungen, geben Vertreter der Börsen zu. Die EU-Kommission lässt mitteilen, dass dieser Punkt „weiterer Prüfung unterliege“. Warum aber fand das dann überhaupt den Weg in den Sanktionsbeschluss?

Gab es keine anderen Wege?

Die Maßnahmen der G7 und der EU folgen den Vorschlägen, die die belgische Regierung gemeinsam mit dem Antwerpener Händlerverband Antwerp World Diamond Centre im Vorfeld unterbreitet hat und die als die strengsten galten. Frankreich, der World Diamond Council und De Beers hatten eigene Vorschläge erarbeitet, die aber eher auf Selbstverpflichtungen der Akteure denn auf digitale Lösungen setzten. „Wir haben das 21. Jahrhundert, die Lösungen sind mittlerweile alle vorhanden“, sagt eine mit den Vorgängen vertraute Person. „Die Branche kann nicht jahrelang Transparenz predigen und sich dann abducken, wenn sie eingefordert wird.“
Der Kimberley-Prozess schied als Rahmen aus, weil Russland nach dessen Kriterien nicht als Konfliktland gilt und eine Änderung der Definition die Zustimmung Russlands benötigt hätte. Zudem erlaubt das Kimberley-Protokoll die Herkunfts­angabe „mixed“, wenn verschiedene Diamanten in einem Päckchen zusammengefasst sind. So ließen sich einfacher Sets gleichartiger Diamanten zusammenstellen – mit dem Beifügen eines einzigen anderen Diamanten aber auch Alrosa-Steine einfach zu „Gemischtware“ umdeklarieren.

Warum haben die Sanktionen so lange auf sich warten lassen?

Die technischen Details sind sehr komplex und die allermeisten Diamantproduzenten und -schleifer sind außerhalb der G7 beheimatet, sodass es Verhandlungen und Gespräche auf vielen Ebenen und mit vielen Akteuren brauchte. Ende September gab es Gespräche in Indien, noch Mitte Januar waren Delegationen in Botswana unterwegs.

Insbesondere Belgien, in vielen Runden mit am Verhandlungstisch, hatte sich vehement gegen EU-Sanktionen gesträubt, immer mit dem Hinweis, dass sie nur Sinn machen, wenn sich möglichst viele Staaten – wie die G7, die für rund 70 Prozent des Diamantmarkts stehen – dafür zusammenschließen.

De facto hätte ein Importverbot Belgien schlichtweg mehr geschadet als Russland: Für die russischen Minenbetreiber Alrosa und Grib Diamonds war Antwerpen bis zuletzt das Sprungbrett in den weltweiten Handel. Noch im Kriegsjahr 2022 kamen nach der Statistik der belgischen Zentralbank russische Diamanten im Wert von 1,39 Mrd. Euro über Antwerpen nach Europa (siehe Grafik rechts).

Mit der Entscheidung, Antwerpen zum EU-weit einzigen Kontrollpunkt für Rohdiamantimporte zu machen, ist der Standort aber vorerst gerettet. Der belgische Premierminister Alexander de Croo, seit Januar für sechs Monate zusätzlich EU-Ratspräsident, stellte sich danach in vorderste Front der Sanktionsbefürworter.

Was sind die Folgen?

Bis spätestens 1. September werden sich zumindest Minen und Schleifereien an ein digitales Trackingsystem für Diamanten anschließen müssen. Gemischte Diamantpäckchen gehören bereits ab 1. März innerhalb der G7-Staaten der Vergangenheit an: Die Herkunft muss klar erkenntlich und belegt sein, sollen Diamanten in die EU importiert werden.

Absehbar ist, dass eine Zwei-Klassen-Gesellschaft entstehen wird: auf der einen Seite die „sauberen“, in der G7-Blockchain verzeichneten Diamanten, auf der anderen Seite die russischen und die nicht protokollierten Diamanten, die in nicht ganz unbedeutenden Märkten wie Indien, China und dem Nahen Osten zum Einsatz kommen werden. Was das System an Kosten verursachen wird und wer sie tragen muss, ist ungeklärt. Den Preis für die Zertifizierung kann die EU-Kommission nicht genau beziffern, bezeichnet ihn jedoch als „vernachlässigbar“.

Werden russische Diamanten damit wirkungsvoll boykottiert?

Daran sind Zweifel angebracht.

Punkt eins: Die G7 sind nicht die Weltgemeinschaft und stehen nur für rund 70 % des Diamantmarkts (die USA allein für 55 %). Die restlichen 30 % (in etwa der russische Rohdiamanten-Marktanteil) haben keine Probleme damit, weiter russische Diamanten zu verarbeiten und zu verkaufen.

Punkt zwei: Wirtschaftlich sinnvoll sind Zertifizierungsverfahren, wie sie die G7 und die EU nun angeordnet haben, erst ab bestimmten Steingewichten. Diamanten bis 0,499 ct. fallen nicht unter die Sanktionen und können auch weiter russischen Ursprungs sein. Dabei ist Alrosa besonders für kleine Diamanten hoher Qualität bekannt. Das zeigt sich auch in den Zahlen der Grafik rechts: Während Alrosa nach Karat vor de Beers die Nummer 1 auf dem Diamantmarkt ist bzw.: wahrscheinlich war, erlöst de Beers mit weniger geförderten Diamanten erheblich mehr – hat also größere und damit wertvollere Diamanten zu bieten.

Welchen Umsatzanteil Diamanten unter 0,5 ct. bei Alrosa bisher ausmachen, konnten weder die EU-Kommission noch die Diamantbörse in Antwerpen benennen. Dabei wäre diese Zahl ja eigentlich wichtig gewesen, um die mögliche Wirkung der Sanktionsbeschlüsse abschätzen zu können.

Alle Firmen, die mit Diamanten unter 0,5 ct. arbeiten, tun aber gut daran, sich nicht mit Aussagen wie "garantiert ohne russische Diamanten" zu profilieren, weil sie es schlichtweg nicht zweifelsfrei belegen können.

Welche Strafen stehen auf den Verstoß gegen die Sanktionen?

In Deutschland ist der Zoll die Behörde, die die Einhaltung der Sanktionen überwachen muss. Wo und wie Kontrollen stattfinden, wollte man der GZ aus „ermittlungstaktischen Gründen“ nicht mitteilen. Hinsichtlich möglicher Strafen verweist der Zoll aber auf § 18 Absatz 1 Nr. 1 des Außenwirtschaftsgesetzes, wonach vorsätzliche Verstöße mit Freiheitsstrafen zwischen drei Monaten und fünf Jahren geahndet werden können.

Was sind die offenen Fragen?

Das größte Fragezeichen steht derzeit noch hinter dem geplanten Blockchain-basierten Zertifizierungssystem. Wenn es bereits ab 1. März ansatzweise funktionieren soll, muss es schon im Testlauf sein. Es konnte (oder wollte) aber bisher niemand offenlegen, von wem es stammt, wie es zu erreichen ist, wie die Registrierung ablaufen wird usw. Die EU-Kommission teilte nur mit, dass eine Liste der dafür zugelassenen Trackingsysteme noch in Arbeit sei und es bald eine Handreichung gebe. Offen bleibt auch, welchen Flaschenhals der Weg über Antwerpen darstellen wird. Dort gibt man sich zwar entspannt. Solange aber die Prüferfordernisse und -systeme von den G7 und der EU gar nicht definiert sind, kann seriöserweise kein Zeitaufwand dafür geschätzt werden. Völlig unklar ist bisher auch, wie (und wo) die ab 1. September geplanten Kontrollen für Schmuck und Uhren, die Diamanten enthalten, vonstattengehen und wie sich bereits verarbeitete Diamanten kon­trollieren lassen sollen. Ausufernde Kontroll- und Dokumentationspflichten könnten Goldschmieden und Schmuck- und Uhrenherstellern das Leben zusätzlich schwer machen.

Anzeige
Anzeige

Zurück

| Russland-Sanktionen

Seit heute ist die Einfuhr russischer Diamanten aus Drittländern in die G7-Staaten verboten – wie der He ...

Mehr

| Russland-Sanktionen

Was ist geplant? Was sind die Folgen? Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Umsetzung der Sanktionen gegen russische Diamanten

Die Sanktionen der G7 und der EU gegen russische Diamanten bergen Sprengstoff für die Branche: Der Staat v ...

Mehr

| Russland-Sanktionen

Trotz der Sanktionen der USA laufen die Geschäfte der russischen Diamantindustrie weiter glänzend

...

Mehr