Wirtschaft

Alle News

| Wirtschaft

Vogl übernimmt Kuhnle: Das Interview

GZ 11/2024 Interview in voller Länge

In Rekordzeit hat Marius Schafelner von Juwelier Vogl aus Aschaffenburg eine Gruppe toppositionierter Juweliere erschaffen. Neuester Clou ist die Übernahme von Juwelier Kuhnle in Fürth. Über diese Expansion, aber auch die Zukunft hochwertiger Geschäfte im Allgemeinen sprachen wir mit ihm. Hier das Interview in voller Länge.

Goldschmiedezeitung: Herr Schafelner, wenn Sie nun Kuhnle in Fürth übernehmen, dann waren die Übernahmen von CW Müller und Depperich vergangenes Jahr erfolgreich, oder?

Marius Schafelner: Ja, wir haben an beiden Standorten sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Mitarbeiter und vor allem unsere Kunden sind sehr zufrieden, deshalb kann man sicher von einer erfolgreichen Übernahme sprechen. Und auch die Zahlen zeigen, dass unsere Strategie aufgeht: Wir liegen derzeit deutlich über Plan.

Bringen Sie als Gruppe neue, große Marken mit nach Fürth?

Wir sprechen mit allen Herstellern, die für uns strategisch wichtig sind. Mit Kuhnle übernehmen wir nicht nur ein Juweliergeschäft, sondern auch die weithin bekannte Villa aus der Gründerzeit – ein idealer Ort, um Uhren und Schmuck zu inszenieren. Denn wir sind davon überzeugt, dass im Luxussegment das Thema Hospitality, also eine einladende Atmosphäre, in der sich unsere Gäste wohl fühlen, immer wichtiger wird. Hospitality wird zu einem wichtigen Pfeiler unseres Geschäftsmodells – und dieses Konzept stellen wir der Industrie vor, selbstverständlich allen wichtigen Partnern.

Hatten Sie auch aus finanzieller Sicht Erkenntnisgewinne durch die Übernahmen von CW Müller und Depperich?

In erster Linie merken wir an den Synergieeffekten, dass uns die Übernahmen neue und mehr Möglichkeiten geben. Bei der Werkstatt können wir in größeren Strukturen denken. Wir alle profitieren von der großen Heritage der Goldschmiedekunst in Koblenz. Die Uhrmacherei bauen wir in Aschaffenburg aus und denken über zentrale Strukturen nach, was bei all den Zertifizierungsvorgaben sinnvoll erscheint. Besonders große Synergien können wir beim Marketing und auch beim Digitalmarketing heben – ein Thema, das für uns stark an Bedeutung gewonnen hat. Auch im Einkauf können wir gemeinsam anders agieren. In anderen Bereichen dagegen sind wir froh, dezentrale Strukturen zu haben, beispielsweise bei den Geschäftsführungen der einzelnen Standorte. Am Ende des Tages wird aus dem Verbinden der Einzelteile ein Erfolgsmodell werden, dass keiner allein hätte erreichen können.

Gab es schon Entscheidungen oder Möglichkeiten, die Sie als Einzeljuwelier nicht gehabt hätten?

Natürlich gibt es eine positive Wahrnehmung bei der Industrie. Dies hilft uns aber nur bei der internen Perspektive. Bei der viel wichtigeren Kundenperspektive arbeiten wir weiterhin mit einer dezentralen Kundenstruktur. In allen drei Häusern ist angedacht, die Namensgebung bestehen zu lassen. In der Außenwahrnehmung werden wir also nicht als Filialist wahrgenommen.

Bezogen auf Fürth: Was wird, was bleibt?

Wenn man sich die Übernahmen von Koblenz und Reutlingen anschaut, kann man sagen, dass es richtig war, zunächst die Strukturen respektvoll zu analysieren, bevor man notwendige Veränderungen herbeiführt – gemeinsam mit den Mitarbeitern, die alle eine neue Reise antreten wollen. In Zeiten des Fachkräftemangels hat es uns sehr gefreut, dass wir die Teams in Koblenz und Reutlingen stark halten und gezielt verjüngen konnten.

Was haben Sie in Fürth vorgefunden und wie kann es in die Zukunft gehen? Juwelier Kuhnle ist kein normaler Platzhirsch ohne Mitbewerb, vielmehr ein sehr persönlich geführtes Haus durch das Ehepaar Kuhnle.

Ja, das beschreibt es sehr gut. Kuhnle geht gefühlt seit jeher seinen eigenen Weg. Das ist gut so, und gerade deshalb passen wir gut zusammen. Was wir vorgefunden haben, ist ein ganz hervorragend geführtes Juwelierhaus, das in seiner Region vernetzt ist wie kein weiteres. Wir freuen uns über aktive Kundenbeziehungen in höchster Qualität und Güte. Ein großes Kompliment an das ganze Team rund um das Ehepaar Kuhnle: Sie haben es in den vergangenen Jahrzehnten geschafft, zu einer der wichtigsten Adressen für Uhren und Schmuck in der gesamten Monopolregion Nürnberg/Fürth zu werden – einem ausgesprochen resilienten Wirtschaftsstandort in Nordbayern mit stabilen Wachstumsgrößen, mit hoher Innovationsdichte und großer Lebensfreude.

Man fühlt hier „heile Welt“ und dazu passt die kulturhistorisch bedeutende Gründerzeitvilla, die die Familie Kuhnle über viele Jahre mit viel Hingabe restauriert hat. Entstanden ist ein wahres Schmuckstück mit wunderschönem Stuck, restaurierten Tapeten und geschmackvollen Böden. Die Villa grenzt direkt an das Juweliergeschäft und bietet viele Möglichkeiten – mitsamt Weinkeller, historischen Salons, modernster, professioneller Küche – inklusive Übernachtungs- und Parkmöglichkeiten. Es ist quasi die real existierende Customer Journey für Kunden im Luxussegment. Hier können wir alles bieten, was ein Erlebnis auf höchstem Niveau ausmacht, und freuen uns schon riesig, dies gemeinsam mit der Familie Kuhnle tun zu können.

Haben Sie in Koblenz die Farbedelstein-Werkstatt, in Reutlingen die Eigenmarke und in Fürth das Event gelernt?

Fast. Ich erinnere mich, dass wir mit beiden Familien – mit den Schafelners und den Kuhnles – traditionell an den Abenden der Baselworld zusammensaßen, um gemeinsam darüber nachzudenken, wie wir ganz aktiv die Kunden der Zukunft begeistern können. Die Historie der Eventkultur und Kundenbegeisterung ist unsere gemeinsame Basis. Mit der Villa können wir jetzt noch einen Schritt weitergehen und für unsere Kunden Erlebnisse kreieren, wie dies keine Boutique und kein anderes Juwelierhaus in Deutschland bieten kann. Wir erreichen damit wirklich ein ganz neues Level.

Wird Kuhnle durch Vogl in Sachen Eigenmarke Schmuck vorankommen?

Als ich vor 15 Jahren in die Branche gekommen bin, haben wir alle versucht, eigene Schritte zu gehen. Das ist ein weiter Weg, und es gibt wenige Beispiele im Land, die mit diesem Konzept nachhaltig erfolgreich sind. Auch für uns ist das ein wichtiger strategischer Pfeiler, den wir nun gemeinsam viel besser voranbringen und unsere Atelier-Kompetenz ausbauen können. Bezogen auf Fürth allerdings steht hier auch ein hochwertiges Markenportfolio im Zentrum.

Lernen Sie von Kuhnle Vintage-Uhren?

Oh ja. Das ist ein wirklich schönes Beispiel. Wir haben in Aschaffenburg in den vergangenen Jahren vermehrt Uhren eingekauft, der Absatz ist derzeit aber nicht so leicht und wir freuen uns, von den neuen Kollegen aus Fürth viel zu lernen. Das ist eine richtige Kernkompetenz bei Juwelier Kuhnle geworden.

Die Situation der Uhren im Handel ist schwierig geworden. Haben Sie Verständnis für Ihre Kollegen beispielsweise in Zweibrücken oder Stuttgart, die schließen, sobald Rolex kündigt?

Ich sehe das Bild nicht dunkel. Wir haben gute Gespräche mit den starken Marken – auf einer wirklich partnerschaftlichen Ebene. Ich möchte auch immer wieder ein durchaus kritisches, aber motivierendes Wort an die Kollegen richten: Wir müssen viel in die digitale Infrastruktur investieren, um unsere originäre und wichtigste Aufgabe verrichten zu können, nämlich unseren Endkunden gut und immer besser zu verstehen. Wenn man sieht, was die großen Konzerne beispielsweise mit den Garantieaktivierungen machen, dann muss man sich schon genau überlegen, was man als Einzelhändler entgegensetzt. Wenn die Industrie den Endkunden am Ende besser kennt als wir selbst, haben wir uns abgeschafft und keine Daseinsberechtigung mehr.  Konkret, wir investieren sehr gezielt in technologische Infrastruktur wie beispielsweise eigene CRM-Systeme.

Es klingt ein wenig trivial, aber letztlich erwartet der Lieferant von uns, dass wir am Puls der Zeit sind. Ja, es ist extrem schwierig, sowohl stationär als auch digital gut aufgestellt zu sein. Das erfordert hohe Kompetenz und gezielte Investitionen – und das geht in der Gruppe einfacher. Der Einzelhändler im Sinne desjenigen, der einzeln handelt, wird unheimlich viel investieren müssen, um den komplexen Anforderungen überhaupt gerecht werden zu können. Ich erwarte schon, dass sich Lieferanten von Handelspartnern verabschieden, bei denen sie die Zukunftsfähigkeit nicht mehr sehen. Das ist aber durchaus absehbar. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns gemeinsam mit der Industrie zu den Erwartungen austauschen und dies dann auch umsetzen. So läuft das Spiel einfach.

Das klingt schöngefärbt.

Es ist aktuell nicht mehr die Zeit, in der nur über Boutiquen gesprochen wird und in der die Hersteller taube Ohren haben. Spätestens seit Corona habe ich das Gefühl, dass die Industrie ganz klar erkannt hat, welche Bedeutung ein unabhängiger Handel mit seinen bestehenden Stammkunden hat. Wer hier seine Hausaufgaben macht, hat die Industrie auch in Zukunft an seiner Seite. Wer aber glaubt, mit einem „Weiter so“ auch in den potenzialstarken Provinzen noch seine zwei, drei stärksten Marken halten zu können, der hat sich getäuscht. Diese Zeiten sind vorbei.

Ist Zukunft letztlich eine Energie-Frage? Haben Sie mehr Energie zur Verfügung als vielleicht ein älterer Kollege, der derzeit einen Nachfolger sucht?

Energie ist immer auch etwas Psychologisches. Wir im Team sind derzeit voller Tatendrang! Wir freuen uns, dass unsere Konzepte funktionieren und haben große Lust darauf, neue Themen zu entwickeln und Zukunft zu gestalten. Energie hat aber auch einen finanziellen und einen Know-how-Aspekt. Vermutlich wird es in Zukunft das Wichtigste sein, Kompetenzen aufzubauen, die uns in die Zukunft bringen. Hier sind wir froh, dass wir seit 15 Jahren inhouse die Digitalkompetenz stellen und diese Stärke selbst kultiviert haben.

Finanzieren Sie den Kauf von Kuhnle wieder mit der Hausbank?

Wir können diesen Schritt aus eigener Kraft gehen.

Wie wird sich die Vogl-Gruppe weiter entwickeln? Die beiden großen Uhrenmarken werden wohl weiterhin Konzessionen streichen und so manchen Händler in die Unwirtschaftlichkeit bringen.

Meinen Erfahrungen nach geht es den Lieferanten nicht darum, Konzessionen blind zu kürzen, sondern es geht um Konsolidierung und Qualifizierung. Entscheidend wird wohl sein, was die Industrie von ihren Zukunftspartnern erwartet. Bezogen auf unsere Entwicklung als Vogl-Gruppe: Wir werden weiterhin ganz konzentriert wachsen.

Können Sie schon ein Fazit ziehen: Lässt sich Luxus inhabergeführt filialisieren?

Wenn wir uns die aktuellen strukturellen Voraussetzungen in Sachen Einkommensverteilung ansehen, ergeben sich zwei Fragen. Erstens: Glauben wir an die Zukunft des Luxus? Ja! Mit großem Ausrufezeichen. Zweitens: Glauben wir daran, dass Luxus etwas hochindividuelles ist? Ja, unbedingt. Demzufolge stellen wir uns an all unseren Standorten als Omnichannel-Händler auf, der auch in Zeiten der Vergleichbarkeit seine Besonderheit und Einmaligkeit voll zur Geltung bringt.

Wenn wir es schaffen, unsere Kunden auf allen vertrieblichen Kanälen zu überraschen, für sie neue Erlebnisse kreieren und uns dabei immer wieder neu erfinden, dann habe ich keine Bedenken. Das gilt für all unsere Standorte und das gilt besonders für Fürth. Wir freuen uns auf das Neue und bedanken uns bei Familie Kuhnle, die so nachhaltig und weitsichtig hier investiert hat. Diese Liebe zum Besonderen ist es, was unsere Kunden so wertschätzen.

 

Zur Person

Marius Schafelner ist seit 2012 Inhaber des Juweliergeschäfts Vogl in vierter Generation. Das Unternehmen aus Aschaffenburg feierte im vergangenen Jahr sein 100. Firmenjubiläum. Ende 2015 wurde der Standort Würzburg nach sechs Jahren geschlossen. 2024 kam es zur Übernahme von Juwelier CW Müller in Koblenz und Depperich in Reutlingen. Der studierte Betriebswirt ist außerdem Gesellschafter des Münsteraner Unternehmens Lusivio Systems, das Online-Dienstleistungen für den Uhren- und Schmuckhandel bietet. Unter anderem deshalb wurde Juwelier Vogl 2020 in der Kategorie „Next Generation Retail“ auf der Inhorgenta ausgezeichnet.

Anzeige
Anzeige

Zurück

| Wirtschaft

Juwelier Brogle hat eine Zukunft. Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Tibor Braun konnte einen ...

Mehr

| Wirtschaft

Der Goldpreis eilt von Rekord zu Rekord: Zuletzt erreichte das Edelmetall ein neues Allzeithoch ...

Mehr

| Wirtschaft

Der ifo Geschäftsklimaindex ist im Oktober auf 88,4 Punkte gestiegen – getrieben von besseren ...

Mehr