| Wirtschaft
Die Entscheidung, ein Juweliergeschäft in diesen Zeiten zu übernehmen, haben Melanie Wittig, Matthias Koberg und Sonja Kemper nicht bereut. Welche Rolle spielt einer ihrer Hauptlieferanten, der Basic-Schmuck-Spezialist Stephan Koch, dabei? Das haben wir bei gemeinsamen Terminen vor Ort geklärt.
1 – Der Lieferant als Berater
Gute Außendienstmitarbeiter übernehmen auch immer eine beratende Funktion für ihre Handelspartner. Stephan Koch, der nicht nur Chef seiner gleichnamigen Firma ist, sondern auch Außendienstler, ist für viele seiner Kunden eine Ansprechperson für Fragen, die nicht unbedingt mit seinen Produkten und seinem Angebot zu tun haben – einfach, weil die Kunden seine 30-jährige Erfahrung im Markt schätzen.
So war es auch bei Juwelier Matthias Koberg aus Oelde: Ein Anruf bei Stephan Koch, als er sich mit der Frage beschäftigte, ob er das gegenüberliegende Ladengeschäft übernehmen solle, das ein Lederwaren- und Reisegepäckhändler aufgegeben hatte. Stephan Koch riet ab. Auch wenn der „Juniorchef“ (seit 2013) im Traditionshaus von 1895 ein bestens aufgestelltes Geschäft leitet und sich heute vorstellen könnte, die zusätzliche Herausforderung anzunehmen, würde eine Filiale doch seine Organisationsstruktur komplett verändern – und sei der neue Standort nur wenige Meter entfernt oder hätte beispielsweise als Trauringgeschäft kürzere Öffnungszeiten. Stephan Koch kennt einfach zu viele vergleichbare Juweliere, die sich mit einem solchen Schritt verhoben haben.
2 – Der Lieferant als Empfehler
Der Wert des Außendienstmitarbeiters zeigt sich auch immer im Blick über den Tellerrand. Wer täglich mehrere Geschäfte sieht, dem fallen Dinge auf, die das Team vor Ort gern übersieht. Beispiel Juwelier Deutsch in Hann. Münden, einer der ersten Drehvitrinen-Kunden, als Stephan Koch die Idee 2009 im Fachhandel vorgestellt hatte. „Muss das wirklich sein, sieht so kaufhausmäßig aus“, hatte Hendrik Deutsch damals seinem Vater gesagt. Heute sieht er diesen Punkt ganz anders: „Es war schlimm, wie wir damals den Basic-Schmuck aus der Schublade heraus verkauft hatten. So zeitintensiv. So schlechte Abschlussquoten.“
Anfang 2024 hat er das Geschäft an seine Mitarbeiterin Melanie Wittig übergeben, kommt aber noch regelmäßig ins Geschäft, meist, um in der Werkstatt Uhrenservice zu machen. Und auch da war es wieder Stephan Koch, dem aufgefallen war, dass es bei den Uhrenarmbändern nicht optimal lief. Seine Empfehlung, ein höherwertigeres, durchdachtes Sortiment zu führen und auf den Lieferanten Herzog umzusteigen, sei aufgegangen, sagt Hendrik Deutsch. Allein die Zahl der verkauften Lederbänder sei um ein Drittel gestiegen – was er nie gedacht hätte, sagt er.
Stephan Koch hatte solche Entwicklungen bereits bei mehreren seiner Kunden beobachten können. Deswegen hatte er sich in diesem Fall aus dem Fenster gelehnt und Herzog empfohlen. Der neuen Chefin Melanie Wittig, die seit 2010 im Verkaufsteam ist, bescheinigt Stephan Koch, dass sie „kritisch einkauft, mit Wagnis, aber in einer guten Balance“.
Ihr neuestes Projekt, nachdem auch die 14-Karat-Gold-Drehvitrine von Koch funktioniert hat, ist die eigene Diamantkollektion von Lieferant Skowronek. Für Stephan Koch ist es schlicht die Aufgabe des Lieferanten, dafür zu sorgen, dass der Kunde ein funktionierendes Sortiment führt. Was sind die sechs besten Herzen für diesen Standort? Er weiß es nach einem Blick in seine Gesamtzahlen. Melanie Wittig schätzt beim Koch-Konzept die Freiheit, Sortimente zu vergrößern oder zu verkleinern oder Produktgruppen auszuprobieren – was bei herkömmlichen Marken nicht so problemlos umsetzbar ist. Am Ende einer guten Kundenbeziehung, sagt Melanie Wittig, gehe es um Vertrauen. „Kann ich hinter einer Firma stehen?“ Diese scheinbar einfache Frage kann sie seit einem Jahr besonders gut beantworten. Einbrecher hatten annähernd das komplette Geschäft leergeräumt. Die Versicherung sei entgegenkommend gewesen, einige Lieferanten in ihren Forderungen bei einem möglichen Neustart eher nicht.
3 – Der Lieferant als Optimierer
Wer Sonja Kemper, seit 2019 Chefin von Juwelier Wirz aus Paderborn, oder ihren ehemaligen Chef Matthias Wirz kennt, weiß, auf was es ankommt: die richtigen Zahlen. Deswegen steht Stephan Koch mit seinen unscheinbaren Drehvitrinen bei Juwelier Wirz hoch im Kurs.
Um es konkret zu machen: Er ist der stärkste Lieferant, noch vor Pandora, Casio, Gerstner, Citizen und den vielen anderen bekannten Marken. Am Ende des Geschäftsjahres wird es ein Koch-Umsatz von 250.000 Euro brutto sein – überdurchschnittlich hoch kalkuliert.
Zu diesem Erfolg kommt es aber nur, weil auf beiden Seiten beständig optimiert wird. Heute stehen drei Säulen mit Silber- und Goldschmuck im Geschäft, mittlerweile in bester Lage, gleich im Eingang. Dies sind insgesamt 40 Etalagen, zusätzlich noch einige Ketten im Unterlager. Nachbestellt wird jeden Montag, eingeräumt jeden Mittwoch. Das System ist perfektioniert: einfaches, schnelles Handling für die 17 Mitarbeiter im Verkauf, große Auswahl für den Konsumenten.
Wie gut die Zahlen dieses Konzepts sind, wird auch beim Besuch von Stephan Koch vor Ort im Gespräch mit Verkäuferin Karolina Muri deutlich. Der Verkauf seiner Produkte, schwärmt Karolina Muri, sei so einfach, auch beim Gold:
„Der Kunde geht am Geschäft vorbei, sieht im Eingang die Drehvitrine, kommt näher, tritt ganz heran, dreht die Vitrine, sucht sich den Anhänger, dann die passende Kette und kommt zu uns an die Kasse. Fertig.“ Wie bitte? Zwei Produkte gleichzeitig? In Gold? Bei diesem Goldpreis? All diese Fragen werden ins nächste Team-Meeting mitgenommen – und siehe da: Rund 80 Prozent der Kunden, die aus der Drehvitrine einen goldenen Anhänger kaufen (8 oder 14 Karat), kaufen auch eine Kette – und zwar in der gleichen Legierung! Der Bon dieser angeblichen „Basic-Kunden“ ist also oft vierstellig. So geht Umsatz! Das sind Zahlen!
Ulrich Voß