| GZ 125 Jahre
Die GZ wurde in ihren 125 Jahren von Persönlichkeiten begleitet, welche nicht nur das Medium, sondern auch die Branche nachhaltig prägten. Eine kleine Zeitreise von den Anfängen bis heute.
„Nur Persönlichkeiten bewegen die Welt, niemals Prinzipien“, wusste schon Oscar Wilde. Genauso verhält es sich mit den Machern hinter der GZ. Sie hatten und haben Charakter, mit Ecken und Kanten, welche auch nach vielen Jahren noch nachhallen. Sie waren und sind keine Prinzipienreiter, sondern Gestalter der Zukunft. Die Anfänge der GZ gehen auf das Jahr 1894 zurück. Der aus dem Hessischen stammende Buchhändler und Reserveoffizier Wilhelm Diebener gründete in Leipzig sein eigenes Verlagsunternehmen. Schnell konzentrierte er sich mit seinen Publikationen auf die Uhren- und Schmuckbranche, bereits im ersten Jahr erschien die „Uhrmacherwoche“. 1898 lancierte er die „Handels-Zeitung für die Gold- und Silberwarenindustrie“, welche später „Journal der Goldschmiedekunst“ und ab 1925 „Deutsche Goldschmiedezeitung“ hieß. Er blickte seine Leser streng an durch seine ovalen Brillengläser. Viel Persönliches ist von ihm nicht überliefert, nur dass er auf Disziplin großen Wert legte und ein begnadeter Unternehmer war, der es verstand, innerhalb kürzester Zeit seinen Verlag zu vergrößern. So kam die „Deutsche Graveur- und Stempelzeitung“ hinzu, er übernahm den Spezialverlag für Uhrmacher Hübner, der wiederum zuvor den Verlag Rühle erworben hatte. Zudem wurde der Kölner Verlag K. Folde zur Abrundung des Angebots gekauft. Die Zeichen standen also von Beginn an auf Wachstum und man errang in der Schmuck- und Uhrenbranche schnell einen guten Ruf. Die Fachleute der GZ waren in der Branche heiß begehrt.
Rasantes Wachstum von Beginn an
Der GZ-Redakteur Rudolf Rücklin unterrichtete zum Beispiel auch in der Goldschmiedeabteilung der Gewerbeschule Pforzheim, von 1905 bis 1932 war er der erste Direktor der neu ausgegliederten Goldschmiedeschule. Bereits sein Vater Friedrich war Großherzoglich Badischer Gewerbeschulrektor dieser Bildungseinrichtung gewesen, sein Sohn Alfred leitete als Studiendirektor die Gewerbeschule II von 1950 bis 1962. Drei Generationen Rücklin prägten damit eine der wichtigsten Ausbildungsstätten für Goldschmiede und belegen die von Beginn an enge Verbindung der GZ mit den wichtigsten Institutionen. Die Kriegsjahre von 1914 bis 1918 sorgten für eine nur kurze Unterbrechung der Publikationen. 1922 starb Wilhelm Diebener. Sein Schwiegersohn Dr. phil. Christian Rühle übernahm den Verlag. Auch er setzte den Wachstumskurs fort und kaufte im Jahr 1925 die „Deutsche Edelmetallkunst“. 1929 wurde die Druckerei Glass & Tuscher in den Verlag eingegliedert, 1934 folgte die Übernahme des Verlags Hermann Schlag Nachfahren mit der Zeitschrift „Journal der Goldschmiedekunst“ und etlichen Fachbüchern. 1939, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, beschäftigte der Verlag immerhin 150 Mitarbeiter. Beim Bombenangriff auf Leipzig fiel das Firmengebäude den Flammen zum Opfer. Die GZ konnte nicht mehr erscheinen. Doch direkt nach dem Krieg ging es weiter: Ab 1947 wurden auf billigem Papier hektografierte Informationsbriefe für Uhrmacher und Goldschmiede herausgegeben. Ab 1948 erschien die „Deutsche Goldschmiede Zeitung“ bereits im Westen, vorüber- gehend wurde sie vom Verlag Heinrich Haag in Schwäbisch Gmünd gedruckt. Am 1. Mai 1949 begann die Nachkriegsgeschichte. Senta Bergmaier, geborene Rühle, wagte einen Neuanfang in Stuttgart, zunächst mit „Deutsche Uhrmacherzeitung, „Graveur- und Stempelzeitung“ und „Deutsche Drechslerzeitung“. Sie schaffte das komplette Firmenarchiv und was noch vom Brand verschont worden war, heimlich aus Leipzig heraus und schmuggelte alles über die damals noch durchlässige Zonengrenze.
Senta Bergmaier prägt das Bild der modernen GZ
Die Verlegerin startete ins Geschäftsleben zu einer Zeit, als Frauen in Führungspositionen oder als Unternehmerinnen eine absolute Ausnahme waren – lange bevor man über Quotenregelungen debattierte. Senta Bergmaier war eine resolute Frau, die preußisch-streng wirkte, obwohl in Leipzig geboren. Geradlinig und sparsam war sie auch, wie die viel gerühmte schwäbische Hausfrau. So hielt sie am Verlagssitz in einem in den 1960er-Jahren erbauten Wohnhaus in Stuttgart-Degerloch fest, in dem sie selbst wohnte. Doch eigentlich war die zum Firmensitz umgebaute Wohnung viel zu beengt – dafür aber abbezahltes Eigentum. Konservativ war sie zudem, aber im besten Sinne. Sie war bei allem Beharrungsvermögen auch immer offen für Neues. „Statt des wehmutsvollen Blicks zurück zu vorübergegangenen Zeiten war das Ausloten von Neuem und Zukunftsweisendem stets Richtschnur für Inhalt und Form“, schrieb Senta Bergmaier in einem Editorial der GZ. „Denn Tradition verpflichtet zum Fortschritt. Die GZ will durch ihre moderne Konzeption und zeitgemäße Berichterstattung in Wort und Bild ihren Lesern auf der Suche nach Lösungen eine geeignete Plattform bieten.“ Die große Show war nie ihre Sache. Sie legte größten Wert auf Seriosität, Genauigkeit und Ausgewogenheit bei der Berichterstattung. Und sie zeigte in der von Männern dominierten Welt, wer im Verlag die Hosen anhatte, ließ sich gerne von ihren männlichen Mitarbeitern hofieren. Trotzdem liebte sie die leisen Töne. „Ich will keine Schlagzeilen, sondern überzeugende Informationen“, so ihr Credo. Sie drückte der GZ der Nachkriegszeit ihren Stempel auf. Unter ihrer Federführung bekam das Magazin mehrmals ein neues Erscheinungsbild verpasst. Als im Jahr 1953 Dr. Rühle starb, wurde das Unternehmen in Rühle-Diebener-Verlag umbenannt. Ab 1954 übernahm Goldschmied Gustav Merkle die GZ-Redaktion und entwickelte das Blatt bis zu seinem Ausscheiden Anfang der 1970er-Jahre zum führenden Branchenorgan. Er war auch prägendes Mitglied der Pforzheimer Zunft Schmuck und Gestaltung.
Die GZ avanciert zum internationalen Titel
Bergmaier sah bereits früh die Bedeutung der Globalisierung voraus und legte erstmals 1958 eine Exportedition auf. 1972 wurden die „Goldschmiede Zeitung“ und die „Uhrmacher Zeitschrift“ zur „Goldschmiede- und Uhrmacher-Zeitung“ („European Jeweler“) zusammengelegt. Ab 1977 trat als Nachfolger von Gustav Merkle der Goldschmied und Edelsteingutachter Heinz-Jürgen Ahnefeld ins Unternehmen ein. Ab 1980 folgte Wirtschaftsjournalist Peter Henselder, der über 25 Jahre die GZ-Chefredaktion innehatte. Gleich auf seiner ersten Tour durch Pforzheim mit Senta Bergmaier kam die Ernüchterung: Alle besuchten Firmen waren am Jammern, wie schlecht es ihnen doch gehe. Zurück im Verlag, sagte er: „In der Branche wirst du nicht alt. Die sind ja alle pleite.“ Dass dies zum typischen schwäbischen Understatement gehört, fand der geborene Rheinländer, wo man gern immer ein wenig dicker aufträgt, erst mit der Zeit heraus. Der Quereinsteiger war gelernter Verlagskaufmann, leitete lange Jahre den Buchbereich beim Deutschen Fachverlag in Frankfurt, bevor er sich mit einem Redaktionsservice selbstständig machte. Er entwickelte sich aber schnell zum gefragten Rat- und Impulsgeber, blickte er doch über den Tellerrand hinaus und adaptierte Erfolgskonzepte anderer Branchen, die schon weiter waren, für den Schmuck- und Uhreneinzelhandel. „Man muss das Rad nicht immer neu erfinden, das Neue entsteht oft durch die kreative und mutige Kombination von Bestehendem“, lautete Peter Henselders Credo. Getreu dieser Idee entwickelte er auch die GZ stets weiter, gab immer wieder neue Anstöße. So initiierte er 1997 den Webauftritt der GZ mit Branchennews und Stellenanzeigen. Wenig später etablierte er den wöchentlichen E-Mail-Newsletter am Freitag. Bereits zur Jahrtausendwende stellte er die ersten Live-Interviews von Messen sowie Modenschauen als Clips online. Über 7000 Zugriffe registrierte GZ Online damals täglich. Auch das 2002 an den Start gegangene Magazin „Art + Design“ trug seine Handschrift. Einem Leitgedanken blieb er treu: „Die Beiträge müssen von hoher redaktioneller Qualität und Glaubwürdigkeit sein. Ohne diese Faktoren hat kein Fachmagazin langfristig Bestand.“ Ein großes Verdienst war sicherlich die Abkehr vom gelben Titel mit dem großen schwarzen Punkt zur Weiß-Form Anfang der 1990er-Jahre mit goldenem GZ-Logo und Freistellerbildern, die er mit einem Grafiker entwickelte. Unter seiner Ägide hielt zudem Farbe auf den Innenseiten Einzug, als die bunten Bilderwelten bei den meisten Fachtiteln noch die Ausnahme waren.
Das Dickschiff bekommt Begleiter
Senta Bergmaier feierte nicht den 100., sondern den 99. Geburtstag des Verlags Anfang 1993 – im Nach- hinein eine fast prophetische Entscheidung, denn den runden Geburtstag erlebte sie nicht mehr. Sie starb am 18. Juli desselben Jahres. Die Geschäftsführung übernahm der langjährige Mitarbeiter und Prokurist Werner Class, der im Auftrag der Erben von Senta Bergmaier das Unternehmen weiterführen sollte. Er war bestens vernetzt mit der Branche, ruhig, zurückhaltend und ein großartiger Sachwalter, der penibel die kaufmännischen Zahlen im Blick behielt. Im Jahr 2000 verabschiedete er sich nach 40 Jahren Unternehmenszugehörigkeit in den Ruhestand. Ihm folgte als Geschäftsführerin Christina Jansch, die zuvor den Vertrieb geleitet hatte. Ihre Stärken waren ihre Begeisterungsfähigkeit, das Denken in ganzheitlichen Konzepten und ihre Überzeugungskraft. Sie baute als erste Tat das internationale Korrespondentennetz aus, gewann Journalisten aus Dänemark, Finnland, Österreich, Großbritannien, Polen, Schweden, Norwegen, Schweiz und Ungarn für die GZ. Bereits im ersten Jahr ihrer Ägide veröffentlichte die GZ einen großen Länderreport, die Auflage wurde dafür auf über 17000 Exemplare gesteigert. Ein Jahr darauf startete das Magazin mit neuem Outfit und als „GZ – Internationales Journal für Schmuck und Uhren“ ins neue Jahrtausend. Zudem lancierte Jansch einen Publikumstitel namens „Solitaire – Lust auf Luxus“. Das Lifestylemagazin wurde über knapp 1800 Juwelierpartner an 70000 Endverbraucher versandt. Im Jahr 2002, zum 100. Jahrgang der GZ, veranstaltete das Fachmedium einen Gestaltungswettbewerb unter dem Titel „Schmuck im Zeichen neuer Werte“. 64 Teilnehmer aus aller Welt reichten 100 Arbeiten ein. 2004 ging Peter Henselder in den Ruhestand und ihm folgte sein Sohn Axel, der seitdem als Mitglied der Chefredaktion die Inhalte der GZ nach dem Motto „Evolution statt Revolution“ erfolgreich weiterentwickelt.
Investitionen in die Zukunft werden notwendig
Christina Jansch wusste: Um im immer härteren Wettbewerb weiter mithalten zu können, muss das Flaggschiff GZ von einer Armada von Beibooten begleitet werden, um den inserierenden Kunden Gesamtkonzepte anbieten zu können. Internationale Titel wie „World One“, Endkundentitel wie „Solitaire“, anspruchsvolle Schmuckkunst in der „GZ Art + Design“, die Idee der Magaloge, also Juwelierkataloge mit redaktionellen Inhalten, sowie Messezeitungen für München und Basel sollten das Dickschiff absichern. Doch die Erbengemeinschaft bevorzugte Ausschüttungen im Hier und Jetzt, als weiter in die Verlagszukunft zu investieren. So kam es im Jahr 2006 zum Verkauf der Titel an die Vereinigten Verlagsanstalten (VVA) in Düsseldorf. Bei dem Tochterunternehmen Wesel in Baden-Baden wurde die GZ bereits seit einigen Jahren gedruckt. VVA-Inhaber Stefan Meutsch sah die Potenziale der Branche und war bereit zu investieren. Der Verlag zog um aus dem beschaulichen Degerloch in den gerade neu errichteten Colorado- Tower in Stuttgart-Vaihingen. Die Mitarbeiterzahl stieg sprunghaft auf 50 an, schnell hatte man sich auf zwei Etagen ausgedehnt. Doch das Glück sollte nicht lange währen, 2008 musste Jansch ihren Hut nehmen, nachdem massive Unstimmigkeiten in der Buchhaltung aufgefallen waren. Zunächst übernahm VVA- Verlags- und Anzeigenleiterin Ulrike Niggemann die Geschäftsführung. Und kurze Zeit später betrat eine neue Persönlichkeit die GZ-Bühne: Dr. Christian Jürgens, damals noch Geschäftsführer der VVA-Kommunikation und Vorstand von B&D, wo Lifestylemagazine wie „Blonde“ und „GolfPunk“ herausgegeben wurden. Als das VVA-Imperium im Jahr 2009 zu kippen drohte, kaufte er in einem Management-Buyout zusammen mit einer Investorengruppe – zumeist erfahrene Verlegerpersönlichkeiten – die GZ und gründete den Untitled Verlag und Agentur. Die Entscheidung fiel gerade rechtzeitig. Ein Jahr später musste Meutsch Insolvenz anmelden. Eine neue Ära begann, zunächst mit zwölf festen Mitarbeitern und einem Netzwerk an freien Autoren, Grafikern und Fotografen.
Der Zauber eines Neubeginns mit einer Brancheninstitution
„Ich stand auf der Inhorgenta in München und kannte niemanden“, berichtete Jürgens zum zehnjährigen Untitled-Jubiläum. Weiter schrieb er: „Mittlerweile sind wir, glaube ich, Teil dieser bunten, verrückten Branchenfamilie. Darauf bin ich stolz und dankbar.“ Der langjährige GZ-Anzeigenleiter Rolf Bendel hatte ihm geholfen, schnell in der Branche Fuß zu fassen. Er kannte die Industrie wie seine Westentasche und genoss ein hohes Maß an Vertrauen und Sympathie. Ein ebensolcher Individualist wie Bendel ist Alexander Steffl. Der charmante Österreicher, der seine Karriere als Conferencier auf Kreuzfahrtschiffen begann, sorgt seit 2014 mit Leidenschaft, thematischem Input und riesiger Energie für den Umsatz der GZ. „Viele Geschäftspartner sind mittlerweile Freunde geworden“, freut sich Christian Jürgens. Er sorgte dafür, dass die GZ inhaltlich und optisch mehrmals einem gründlichen Relaunch unterzogen wurde. „Wir müssen noch näher an die Branche heranrücken und den Nutzwert unseres Mediums steigern.“ Unter der Devise „Qualität kommt von Qual“ trieb er sich und sein Team zu immer neuen Höchstleistungen an.
Nach 125 Jahren fit für die Zukunft
Schnell wuchs die GZ wieder zu alter Größe heran und gewann weiter an Bedeutung. Titel wie das Endkonsumentenmagazin Magic Moments, Kundenpublikationen sowie Juwelierkataloge und Daily News für die Messen runden heute das Spektrum ab. Stillstehen war nie eine Option für Christian Jürgens. Er schaute immer nach neuen spannenden Herausforderungen, anspruchsvollen Projekten, die die GZ und die Branche voranbringen. So ließ er einen Chatbot für Messen wie auch eine GZ-App entwickeln. Während der Corona-Krise lancierte Jürgens das Boutique-Konzept „THE SHOW“, eine Messe der besonderen Art, die Top-Juweliere mit den Top-Adressen der Industrie in einem unterhaltsamen, lockeren Rahmen zusammenbrachte und so die pandemiebedingten Ausfälle der großen Messen überbrückte.
Das Ergebnis all dieser Mühen über 125 Jahre: Wer heute mit der Uhren- und Schmuckbranche kommunizieren möchte, für den führt kein Weg mehr an der GZ vorbei. Doch damit ist die Geschichte noch lange nicht zu Ende. So soll es im Jubiläumsjahr noch mehr Journalismus, noch mehr Kritik, noch mehr Debatte in der GZ geben. Zudem arbeitet das Team an einem Digitalabo. Wir sehen es wie Søren Kierkegaard, der sagte: „Man kann das Leben nur rückwärts verstehen, aber man muss es vorwärts leben.“ Wir freuen uns auf die Zukunft.